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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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Entscheidung für Verbraucheranreize
     bestimmt. Wie John Maynard Keynes einst so schön sagte: »Praktiker, die meinen, sie seien gänzlich frei von intellektuellen
     Einflüssen, sind in der Regel die Sklaven eines längst verstorbenen Wirtschaftswissenschaftlers .« 1 Theorien spielen eine wichtige Rolle, und ohne ein Verständnis der volkswirtschaftlichen Theorien, die hinter den Reaktionen
     auf die jüngste Krise stecken, können wir nicht begreifen, wie wir in diesen Schlamassel geraten sind, und, wichtiger noch,
     wie wir wieder herauskommen.
    Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die verschiedenen wirtschaftwissenschaftlichen Strömungen und Möglichkeiten, die
     Krise zu begreifen, um auf diese Weise Material für eine Art vereinigte Feldtheorie zu sammeln. In der Folge erzählen wir
     eine bewusst selektive Geschichte der Wirtschaftstheorie: Unser Ziel ist es, das herauszuarbeiten, was uns aus den verschiedenen
     Krisentheorien am nützlichsten erscheint. Bei unserer Auswahl gehen wir pragmatisch vor. Wir präsentieren Keynes genauso wie
     Hyman Minsky, den radikalsten Vertreter des Keynesianismus. Dazu kommen jedoch auch Wirtschaftswissenschaftler aus anderen
     Lagern: Robert Shiller, einer der wichtigsten Vertreter der Verhaltensökonomik; Joseph Schumpeter, der große Vordenker der
     »kreativen Zerstörung« im Kapitalismus; aber auch eher historisch orientierte Theoretiker wie Charles Kindleberger, Carmen |61| Reinhart und Kenneth Rogoff. Aus diesen oft widersprüchlichen Denkrichtungen entwickeln wir unseren spezifischen Ansatz zum
     Verständnis der Wirtschaftskrisen.
     
     
    Wenn sich Märkte nicht benehmen
     
    Die Theorie der Wirtschaftskrisen beschäftigt sich mit der Frage, wie und warum Märkte versagen. Die meisten der herkömmlichen
     Wirtschaftstheorien versuchen das genaue Gegenteil: Sie wollen zeigen, wie und warum Märkte funktionieren, und warum sie gut
     funktionieren. Letztere Fragestellung geht auf die Anfänge der Wirtschaftswissenschaften zurück und beginnt mit dem schottischen
     Denker Adam Smith. In seinem Buch
Der Wohlstand der Nationen
erfand er das inzwischen berühmte Bild von der »unsichtbaren Hand« 2 , um diesen scheinbar wunderbaren Prozess zu versinnbildlichen, in dem die egoistischen und oft widerstreitenden Interessen
     der einzelnen wirtschaftlichen Akteure zu einem stabilen und sich selbst regulierenden Wirtschaftssystem zusammenfinden. Aus
     dem Chaos der unzähligen individuellen Entscheidungen entsteht die Ordnung.
    Auf die vielen Schwächen des Kapitalismus ging Smith aber nicht ein. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn schließlich
     wollten er und andere frühe Wirtschaftstheoretiker erklären, wie der Markt funktionierte, und nicht, warum er nicht funktionierte.
     Im Laufe des nächsten Jahrhunderts verfeinerten und überarbeiteten Wirtschaftswissenschaftler die Theorien von Smith jedoch. 3 Im 19. Jahrhundert waren sie sich weitgehend einig, dass sich Märkte selbst regulierten und immer ein magisches Gleichgewicht
     herstellten. Eine Heerschar inzwischen berühmter Denker wie David Ricardo, Jean-Baptiste Say, Léon Walras oder Alfred Marshall
     entwickelte Smiths Erkenntnisse weiter und errichtete mathematische Gebäude, um ihre Theorie zu beweisen.
    Der Glaube an die Stabilität des Marktes führte zu einer wichtigen |62| Schlussfolgerung. Wenn Märkte sich selbst regulierten und die kollektive Weisheit des Marktes immer Recht hatte, dann bedeutete
     dies automatisch, dass der Preis jeder beliebigen Anlage, die auf dem Markt gehandelt wurde, immer richtig und gerechtfertigt
     war. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchten einige Wirtschaftswissenschaftler, diese Theorie mathematisch zu untermauern.
     Dabei stützten sie sich auf die Arbeiten des französischen Mathematikers Louis Bachelier, der in seinem Buch
Théorie de la spéculation
aus dem Jahr 1900 behauptete, der Preis einer Anlage gebe sämtliche verfügbaren Informationen über diese Anlage wieder. 4 Es gab also keine über- oder unterbewerteten Anlagen. Der Markt spiegelte die objektiven Gegebenheiten vollkommen korrekt
     wieder. Der Preis einer Anlage konnte sich zwar verändern, und das oft dramatisch, doch dabei handelte es sich lediglich um
     eine rationale und automatische Reaktion auf eine neue Information.
    In Frankreich war Bachelier kaum bekannt, doch in den Vereinigten Staaten erfreuten sich seine Theorien zunehmender Beliebtheit.
     Am Vorabend des Börsencrashs, der die

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