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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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Finanzsystems bei der
     ungezügelten Geldgier der Wall Street. Das würde jedoch bedeuteten, dass die Wall-Street-Banker des Jahres 2007 gieriger waren
     als die Gordon |51| Geckos früherer Generationen, was kaum glaubhaft ist. Der Unterschied bestand weniger in der Gier selbst als in der Tatsache,
     dass neue Anreiz- und Vergütungssysteme die Gier in neue und gefährliche Richtungen kanalisiert hatten. Im Laufe der letzten
     beiden Jahrzehnte erhielten Banker und Händler immer höhere Bonuszahlungen, die an kurzfristige Gewinne gekoppelt waren. Deshalb
     hatten sie einen zusätzlichen Anreiz, unverhältnismäßig große Risiken einzugehen, ihre Investitionen mit immer mehr Fremdkapital
     zu finanzieren und buchstäblich eine ganze Bank in unglaublich riskanten Investitionsstrategien zu verwetten.
    Genau das passierte auch in der gegenwärtigen Krise: Finanzjongleure erfanden »Kreditausfallversicherungen« oder »Credit Default
     Swaps« (siehe Kapitel 8). In guten Zeiten bescherten ihnen diese Swaps gewaltige Gewinne und Bonuszahlungen; für den Fall,
     dass die Zeiten schlechter wurden, konnten diese Instrumente jedoch für Unternehmen wie den Versicherungskonzern AIG die Katastrophe
     bedeuten. Natürlich waren Händler und Banker nicht nur gierig, sondern obendrein auch noch arrogant und dumm, doch das allein
     hätte nicht ausgereicht, um einen Zusammenbruch zu verursachen, wenn der Finanzsektor nicht gleichzeitig von einem derartigen
     Bonussystem beherrscht worden wäre.
    Theoretisch hätten die Aktionäre vieler Unternehmen diesen Praktiken ein Ende bereiten können. In Wirklichkeit ging jedoch
     dem Scheitern des Finanzsystems ein Scheitern der Unternehmensaufsicht voraus. Die Aufsichtsräte, die das System überwachen
     sollten, wurden durch Interessenkonflikte an der Wahrnehmung ihrer Aufgabe gehindert. Das ist an sich nichts Neues, doch das
     Finanzsystem, das zu Beginn des 21. Jahrhunderts entstand, war ganz besonders undurchsichtig. Es tat sich eine immer größere
     Kluft zwischen den Interessen der Aktionäre und den Interessen der Banker, Händler und Manager auf, die eigentlich im Sinne
     der Aktionäre handeln sollten.
    An dieser Stelle hätten Aufsichtsbehörden in die Bresche springen müssen. Doch wie so viele Epochen, in denen Spekulationsblasen |52| wuchsen und platzten, war auch das ausgehende 20. Jahrhundert die Ära eines marktwirtschaftlichen Fundamentalismus. Die staatlichen
     Aufseher der Vereinigten Staaten – die Notenbank und eine ganze Reihe anderer Behörden – schliefen oder schlossen beide Augen,
     um nicht sehen zu müssen, wie Finanzunternehmen sämtliche Regeln unterliefen, angefangen von Kapitaladäquanzregeln bis zur
     Bilanzgesetzgebung. Im Gegenteil, viele staatliche Aufseher machten sich für genau die finanztechnischen »Innovationen« stark,
     die der Auslöser der Krise sein sollten: Hypotheken ohne Eigenbeteiligung, Kredite mit negativer Tilgung, Kreditanreize, variabelverzinsliche
     Hypotheken und eine Reihe von immer exotischeren Wertpapieren, die aus diesen Giftpapieren zusammengeschnürt wurden. Ähnliches
     spielte sich auch in Großbritannien ab.
    Der Markt weiß es am besten, der Markt wird’s schon richten – so lautete die vorherrschende Meinung in Washington, London
     und anderen englischsprachigen Ländern der Welt. Der damalige Notenbankchef Alan Greenspan war vermutlich der bekannteste
     Fürsprecher der Selbstregulierung des Finanzsystems und behauptete, der Markt werde sich selbst reinigen. Im Jahr 1997 warnte
     er den Kongress davor, finanztechnische Innovationen zu verhindern und »Gesetze zu verabschieden oder Regulierungen zu schaffen,
     mit denen die Entwicklung des Marktes unnötig behindert wird«. 40 Greenspan verteidigte selbst die zunehmende Praxis der Vergabe von Schrotthypotheken und behauptete im Jahr 2005: »Kreditgeber
     sind inzwischen bestens in der Lage, das Risiko der jeweiligen Kreditnehmer selbst einzuschätzen und entsprechend zu bewerten.« 41
    Im Nachhinein erscheint dies geradezu lächerlich. Die neuen Finanzprodukte machten die Fragen nach einer Einschätzung des
     Risikos nämlich vollkommen überflüssig: Banken und andere Finanzunternehmen behielten die Kredite schließlich nicht mehr in
     ihren eigenen Büchern. Sie verliehen Geld vollkommen unabhängig von der Kreditwürdigkeit der Antragsteller und reichten diese
     Kredite einfach an die Wall Street weiter. Diese verbriefte die |53| Darlehen – Hypotheken,

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