Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Weltwirtschaftskrise einläutete, erklärte der Wirtschaftswissenschaftler Joseph Lawrence
von der Universität Princeton optimistisch: »Nach Ansicht der Millionen von Menschen, deren Bewertungen in diesen bewundernswerten
Markt der Aktienbörse einfließen, sind die Aktien gegenwärtig nicht überbewertet.« 5 Lawrence glaubte offenbar an die Weisheit der Massen und forderte Kritiker auf, doch »ihr Veto gegen das Urteil der intelligenten
Menge einzulegen«.
Theoretisch hätte die Weltwirtschaftskrise derlei Unfug ein Ende bereiten sollen, doch in der Nachkriegszeit hauchten die
Wirtschaftsfakultäten der Universitäten ihm neues Leben ein. 6 Dies ist vor allem den Ökonomen der University of Chicago zu verdanken, wenn man hier von Dank sprechen kann. Ein Professor
namens Eugene Fama und andere Anhänger des Laissez-faire-Kapitalismus entwickelten raffinierte mathematische Modelle, um zu
beweisen, dass sich Märkte vollkommen rational und effizient verhielten.
|63| Das bedeutete, dass der Preis jeder beliebigen Anlage zu jedem beliebigen Zeitpunkt ihren Wert vollkommen korrekt wiedergebe.
Eine Anlage könne weder über- noch unterbewertet werden, der momentane Preis sei der einzig richtige. Diese Theorie ging davon
aus, dass sich jede öffentlich gemachte Information sofort und korrekt auf den Preis niederschlage, was bedeute, dass künftige
Veränderungen des Preises von Faktoren abhingen, die noch nicht bekannt waren. Danach waren künftige Preisentwicklungen unmöglich
abzusehen. Diese These führte schließlich zur Theorie des »random walk« (Zufallsbewegung): 7 Es habe keinen Zweck, bei der Auswahl von Aktien klüger sein zu wollen als der Markt. Gemäß dieser Logik sei es besser, nach
dem Zufallsprinzip eine Aktie zu wählen und ohne Rücksicht auf die Kursentwicklung an dieser Entscheidung festzuhalten.
Dutzende Wirtschaftswissenschaftler der Nachkriegszeit vertraten diese Theorie und entwickelten sie weiter. Sie räumten ein,
dass Märkte in Abhängigkeit von bestimmten Variablen mal mehr, mal weniger effizient waren. Doch im Allgemeinen hielten die
Business Schools und Wirtschaftsfakultäten an der Überzeugung fest, dass Märkte effizient seien und alle verfügbaren Informationen
einpreisten. In den siebziger Jahren galt die Theorie der effizienten Märkte als Gemeinplatz und wurde von den Kanzeln der
Universitäten in Chicago und anderswo gepredigt.
Doch die Hypothese stieß nicht überall auf Zustimmung. Unter Wirtschaftswissenschaftlern machte damals ein Witz die Runde,
der die Absurdität dieser Theorie auf den Punkt bringt: Ein Wirtschaftswissenschaftler und sein Freund gehen eine Straße entlang
und sehen auf dem Gehsteig einen 100-Dollar-Schein liegen. Der Freund will sich bücken, um ihn aufzuheben, doch der Wirtschaftswissenschaftler
hält ihn zurück und sagt: »Spar dir die Mühe. Wenn der Schein echt wäre, hätte ihn schon längst jemand aufgehoben.« 8
Der Witz trifft den Nagel auf den Kopf: Trotz aller Beteuerungen der Wissenschaftler schienen die Märkte extrem ineffizient |64| zu arbeiten, und kluge Investoren waren durchaus in der Lage, viele echte 100-Dollar-Scheine aufzusammeln. Außerdem konnten
zahlreiche Wirtschaftswissenschaftler die Hypothese des effizienten Marktes widerlegen, und zwar nicht nur anhand von willkürlich
gewählten Beispielen, sondern mithilfe strenger statistischer Analysen. Einer der vehementesten Kritiker der Hypothese des
effizienten Marktes ist Robert Shiller von der Universität Yale. 9 Schon Anfang der achtziger Jahre führte er Untersuchungen durch, mit denen er nachweisen konnte, dass die Aktienkurse sehr
viel stärker schwankten, als es die Hypothese des effizienten Marktes eigentlich zulässt. Bis zum Ende des Jahrzehnts konnten
Shiller und andere Kritiker mit einer Vielfalt von Beweisen zeigen, dass sich die Preise von Anlagen nicht etwa in einem Gleichgewicht
befanden, sondern im Gegenteil wild hin und her schwankten. Mal reagierten Anleger übertrieben optimistisch und trieben die
Preise in neue und schwindelerregende Höhen. Am nächsten Tag verfielen sie in Panik und warfen ihre Anlagen in Notverkäufen
auf den Markt. Diese Entwicklung hatte nichts Rationales an sich, es handelte sich um die irrationalen Reaktionen der Masse.
Wie Shiller es ausdrückte: »Die Märkte sind zwar nicht vollkommen verrückt, aber sie weisen eine Menge Rauschen auf, und das
ist derart laut, dass es die
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