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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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Marktes. Während die Preise stiegen, locke der Anblick der neuen
     Reichen zahlreiche Nachahmer an, »und in der Spekulation übersteigt der Preis nicht nur das aufgrund der ursprünglichen Erwartungen
     gerechtfertigte Maß, sondern erfasst auch Waren, für die es nie eine solche Erwartung gab, die sich jedoch mit Beginn der |67| Spekulation ebenfalls verteuern«. Preissteigerungen führten zu neuen Preissteigerungen, und eine Spekulationsblase entstehe,
     die sich selbst immer weiter nähre. 15
    Die Blase allein reicht jedoch noch nicht, um eine Krise auszulösen. Mill erkannte vielmehr die entscheidende Rolle von Krediten
     und Schulden. Während sich die Blase aufblähe, so Mill, »nehmen die Kredite in erheblichem Umfange zu. Nicht nur, weil die
     vom Fieber Erfassten mit größerer Freiheit Kredite aufnehmen als zuvor, sondern auch, weil sie leichter Kredite erhalten,
     da sie außergewöhnliche Gewinne zu erzielen scheinen und weil sich Unverstand und Abenteuerlust verbreiten und die Neigung
     verstärken, mehr Kredit aufzunehmen und zu vergeben als sonst, und ihn vor allem an nicht kreditwürdige Personen zu vergeben«.
     Der Boom ende unweigerlich, wenn die unerwartete Zahlungsunfähigkeit einer Hand voll von Unternehmen plötzlich auf dem Markt
     ein »allgemeines Misstrauen« aufkommen lasse. Die Unsicherheit greife um sich, und plötzlich sei es beinahe unmöglich, neue
     Kredite zu erhalten, es sei denn, zu extremen Konditionen. Da sie nicht mehr in der Lage wären, ihre Schulden zu bedienen,
     brächen Unternehmen reihenweise zusammen. Und da keine Kredite mehr verfügbar wären, fielen die Preise, und auf dem Markt
     machte sich Unruhe breit. In der Folge komme es zu einer »Handelskrise« und einer Panik, »die in Extremfällen so unvernünftig
     war wie zuvor die übermäßige Zuversicht«. Genau wie der Feedbackmechanismus die Preise zunächst nach oben schnellen ließ,
     drücke er sie nun in den Keller. Der Ausschlag nach unten fiele unweigerlich zu extrem aus, so Mill: »Die Preise fallen so
     weit unter ihr normales Niveau, wie sie in der vorangegangenen Phase der Spekulation darüber hinaus geschossen waren.« Mill
     hielt auch fest, dass der Crash vom Finanzsektor auf die übrige Wirtschaft übergreife, Unternehmen in den Ruin stürze, die
     Arbeitslosigkeit ansteigen ließe und »eine mehr oder minder große Verarmung« nach sich zöge.
    Mill lieferte damit ein gutes Modell eines Boom-und-Bust-Zyklus mit den klassischen Zutaten, wie sie nicht nur zu Mills Zeiten, |68| sondern auch in der Gegenwart vorkommen: Ein äußerer Anstoß oder Katalysator für einen Boom; eine durch psychologische Motive
     und nicht durch tatsächliche Wirtschaftsdaten motivierte Spekulationswut; ein Feedbackmechanismus, der die Preise nach oben
     treibt; billige und leicht verfügbare Kredite; und schließlich der unvermeidliche Absturz des Finanzsystems, begleitet von
     erheblichen Kollateralschäden in der Realwirtschaft der Fabriken und Arbeitnehmer. Könnte Mill eine Zeitreise unternehmen,
     würde er die jüngste Krise in ihren groben Zügen sofort erkennen, auch wenn ihn die esoterischen Finanzinstrumente zunächst
     ein wenig verwirren könnten.
    Auf Mill folgten andere Denker, die versuchten, allgemeine Gesetze des »Konjunkturzyklus«, wie er immer häufiger genannt wurde,
     zu formulieren. Einer der einflussreichsten war William Stanley Jevons, dessen Theorie aus heutiger Sicht zwar lächerlich
     erscheinen mag, die uns aber trotzdem einige interessante Aufschlüsse gibt. 16 Wie Mill nahm Jevons an, dass ein äußerer Anstoß Ereignisse in Gang brachte, die schließlich in der Krise mündeten. Er ging
     jedoch davon aus, dass diese periodischen Störungen durch Sonnenflecken hervorgerufen wurden. Die Veränderungen der Sonneneinstrahlung
     beeinflussten das Wetter; dieses wirke sich auf die landwirtschaftliche Produktion aus; und diese wiederum bringe die Wirtschaft
     von Nationen wie Großbritannien aus dem Gleichgewicht. Voilà! Diese Störungen befeuerten das Spekulationsfieber und ebneten
     einer neuen Krise den Weg.
    So albern diese Theorie heute klingt: Jevons’ Grundannahme, dass Krisen durch äußere Faktoren angestoßen werden, die nichts
     mit dem Wirtschaftssystem zu tun haben, war im 19. Jahrhundert sehr populär und wirkt bis heute nach. Das Problem lag seiner
     Ansicht nach nicht im System selbst, sondern kam von außen, in seinem Fall aus dem Weltall. Von den Sonnenflecken einmal

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