Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
loszuwerden.
Diese Deflation, die in der Weltwirtschaftskrise ab 1929 einen besonders extremen Verlauf nahm, führte zu einem weiteren Rückgang
der Gewinne und des Cash-Flow.
Keynes war klar, dass dieser Prozess mindestens ebenso sehr vom Bauch wie vom Kopf gesteuert wurde und widersprach damit der
verbreiteten Theorie von der Effizienz des Marktes. Während eines Zusammenbruchs wie der Weltwirtschaftskrise schwand der
kapitalistische Instinkt 23 , den Keynes als »spontanen Drang zur Handlung statt zur Nicht-Handlung« beschrieb, selbst wenn es Möglichkeiten gab, Gewinne
zu erzielen. Wirtschaftliche Entscheidungen waren also nicht nur mathematische Berechnungen, sondern sie wurden impulsiv getroffen
und von den äußeren Ereignissen geprägt. Sie waren mit anderen Worten unsicher und willkürlich. Wie Keynes schrieb: »Wenn
die Instinkte geschwächt sind, der spontane Optimismus stockt und wir uns nur noch auf unsere mathematische Erwartung stützen
können, dann siecht und stirbt das Unternehmertum.« Dabei spielt es keine Rolle, ob die zugrundeliegenden Wirtschaftsdaten
eine Rückkehr zum Wohlstand rechtfertigen oder nicht. Fehlt der kapitalistische Instinkt, versinkt die Wirtschaft dauerhaft
in einem Dämmerzustand.
Für Keynes gab es eine einfache Lösung: Der Staat musste in die Bresche springen und eine neue Nachfrage schaffen, um den
Teufelskreis zu durchbrechen. Diese Theorie wurde in den Nachkriegsjahren |74| zum Dogma erhoben, und Regierungen in aller Welt übernahmen den Keynesianismus, um konjunkturelle Talfahrten aufzuhalten.
Die optimistischsten Anhänger von Keynes glaubten, mithilfe seiner Theorie ließe sich der Zustand der Vollbeschäftigung aufrechterhalten.
Was ursprünglich als Notmaßnahme zur Bekämpfung einer umfassenden Wirtschaftskrise gedacht war, wurde nun im alltäglichen
Betrieb der Volkswirtschaften eingesetzt. Im Jahr 1965 feierte das Nachrichtenmagazin
Time
Keynes als Visionär und titelte »Wir sind jetzt alle Keynesianer«. 24 Damit traf es den Nerv der Zeit. Ironischerweise war dieser Titel jedoch ein Zitat des konservativen Wirtschaftswissenschaftlers
Milton Friedman.
Friedman stritt später ab, dass der Satz von ihm stammte, und zwar aus gutem Grund: Er war der Vater einer Denkrichtung, die
als Monetarismus bekannt ist, und behauptet, dass die Instabilität einer Volkswirtschaft über die Fluktuationen in der Geldmenge
erklärt werden könne. Friedman und seine Mitautorin Anna Jacobsen Schwartz machten sich mit einer Interpretation der Weltwirtschaftskrise
einen Namen, die sich erheblich von der Keynes’schen unterschied. 25 Nach Ansicht von Friedman und Schwartz war die Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre nicht durch einen Zusammenbruch der
Nachfrage ausgelöst worden, wie Keynes behauptete. Sie seien vielmehr eine direkte Folge der fehlenden Einlagen und Reserven
der Banken, die schwanden, weil ausländische Investoren ihre Ersparnisse abhoben und Banken die Zahlung einstellen mussten.
Nach Ansicht der Monetaristen war der Einbruch der Geldmenge die Ursache für den Einbruch der Nachfrage und damit des Rückgangs
von Konsum, Einkommen, Preisen und schließlich Beschäftigung.
Friedman und Schwartz sprachen sich zwar prinzipiell gegen jegliche Form der staatlichen Intervention aus – vor allem der
staatlichen Konjunkturprogramme à la Keynes –, doch sie waren der Ansicht, dass ein Rückgang der Geldmenge hätte verhindert
werden können, wenn die Notenbank aggressiv die Zinsen gesenkt hätte, zu denen die übrigen Banken Geld von ihr erhielten.
Die Monetaristen |75| beschuldigten die amerikanische Notenbank, nicht als letztinstanzlicher Kreditgeber aufgetreten zu sein und den zahlungsunfähigen
Banken und Finanzunternehmen keine Kredite zur Verfügung gestellt zu haben. Hätte die Notenbank die Pleitewelle im Bankenwesen
Anfang der dreißiger Jahre verhindert, so Milton und Schwartz, dann hätte sich die Weltwirtschaftskrise niemals derart ausgeweitet,
und die Volkswirtschaft hätte lediglich eine normale Konjunkturflaute erlebt und sich wieder erholt.
Die monetaristische Interpretation der Weltwirtschaftskrise ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Der drastische Rückgang
des im Umlauf befindlichen Geldes in den dreißiger Jahren trug zweifelsohne zu einer Verschärfung der Kreditklemme bei, und
die Notenbank verschlimmerte die Lage mit ihrer Politik nur noch. Doch andere Wirtschaftshistoriker, allen
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