Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Neuerungen.
Die jüngste Krise hinterließ dagegen kaum greifbare Errungenschaften, wenn man von einigen Geisterstädten in der Umgebung
von Las Vegas einmal absieht. Schlimmer noch, der Immobilienboom brachte auch keine technologische Innovation: Die Häuser,
die im Jahr 2006 gebaut wurden, waren keinen Deut effizienter als jene, die ein oder zwei Jahrzehnte zuvor gebaut wurden.
Der Boom war also eine Spekulationsblase, und sonst nichts.
Das wirft eine Frage auf: Wenn hinter dem Immobilienboom keine technologische Neuerung steckte, was war dann der Motor? In
Wirklichkeit gab es nämlich eine Menge Innovationen – allerdings nur auf dem Sektor der Finanzdienstleistungen. Das stellte
an sich noch kein Problem dar. Schließlich haben sich zahlreiche |93| Geldmarktinnovationen der vergangenen Jahrhunderte – seien es Versicherungen oder Optionen – bis heute bewährt und ermöglichen
den Marktteilnehmern, Risiken zu kalkulieren und zu begrenzen. 3
Die neuen Finanzinstrumente wurden in demselben Geist erfunden und zielten darauf, bestehende Kreditmodelle zu optimieren.
Bis vor einigen Jahrzehnten vergaben Banken ihre Kredite – vor allem zum Erwerb von Wohneigentum – nach dem Prinzip »Vergeben
und halten«. Hauskäufer beantragten einen Kredit, die Bank verlieh das Geld und lehnte sich dann zurück, um die monatlichen
Raten und Zinsen zu kassieren. Die Bank, die den Kredit vergab, behielt ihn auch – es handelte sich um eine einfache Transaktion
zwischen Kreditnehmer und Geldinstitut.
Dies änderte sich mit den Innovationen auf dem Finanzmarkt. In den siebziger Jahren erfand die staatliche Bausparkasse Government
National Mortgage Association (besser bekannt unter dem Namen Ginnie Mae) die hypothekenbesicherten Wertpapiere. Das heißt,
dass Ginnie Mae die von ihr ausgegebenen Hypotheken bündelte und in Form von Wertpapieren weiterverkaufte. Ginnie Mae musste
nun nicht mehr 30 Jahre warten, um die Auslagen aus der Hypothek wieder hereinzuholen, sondern erhielt sofort einen bestimmten
Betrag von den Käufern der Wertpapiere. Die Anleger wiederum erhielten einen bestimmten Anteil aus den monatlichen Raten von
Tausenden Hausbesitzern, die ihre Hypotheken abbezahlten. 4
Das war ein revolutionärer Schritt. Dank dieser »Verbriefung« konnten nicht liquide Anlagen wie Hypotheken gebündelt und in
liquide Anlagen verwandelt werden, die sich auf dem Markt weiterverkaufen ließen. Diese neuen Instrumente wurden als hypothekenbesicherte
Wertpapiere bezeichnet. Bald stiegen auch andere staatliche Gesellschaften wie Fannie Mae und Freddie Mac in das Geschäft
mit diesen Wertpapieren ein. Investmentbanken, Immobilienhändler und selbst private Hausbesitzer zogen nach und brachten immer
mehr private Hypotheken in immer neue und |94| immer gewinnträchtigere Anlagen ein. Investoren in aller Welt schlugen zu. Schließlich würden Immobilienpreise nie sinken,
so die populäre Meinung.
Investmentbanken übernahmen bei der Ausgabe immer neuer hypothekenbesicherter Wertpapiere eine Vorreiterrolle. In Kooperation
mit den ursprünglichen Kreditgebern – Banken, Kreditinstituten und öffentlichen Einrichtungen – gründeten sie sogenannte Zweckgesellschaften.
Diese gaben Anleihen oder hypothekenbesicherte Wertpapiere aus und verkauften sie an Anleger weiter. Theoretisch war damit
allen Beteiligten gedient: Der Hauskäufer bekam seinen Kredit und der Händler und Gutachter seine Provision. Der Hypothekenverleiher
erhielt eine hübsche Summe auf die Hand und musste nicht erst 30 Jahre lang auf seinen Gewinn warten. Die Investmentbank strich
eine satte Bearbeitungsgebühr ein und schob das Risiko der Hypothek auf andere ab. Und der Anleger, der die Wertpapiere erwarb,
konnte sich auf einen steten Geldstrom freuen, solange die Hausbesitzer ihre Kredite abbezahlten.
Die hypothekenbesicherten Wertpapiere wurden in den achtziger Jahren immer beliebter, doch ihren eigentlichen Siegeszug traten
sie erst in den neunziger Jahren an. 5 Ironischerweise war es die Sparkassenkrise, die ihnen zum Durchbruch verhalf. In dieser Krise meldeten mehr als 1 400 Geldinstitute
Konkurs an, weil sie auf zu vielen faulen privaten und kommerziellen Immobilienkrediten sitzengeblieben waren. Dies wäre nicht
passiert, wenn sie die Kredite in Wertpapiere umgewandelt hätten – so zumindest die Lektion, die viele Banker aus dem Debakel
mitnahmen. Die neue Philosophie war einfach genug: Es war sehr
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