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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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viel besser, die Kredite weiterzuverkaufen und vorneweg einen
     satten Profit einzustreichen, als die Kredite in den eigenen Büchern zu behalten und zu riskieren, dass sie später nicht zurückgezahlt
     wurden. Indem sie die Kredite an andere weitergaben, die eher in der Lage waren, das Risiko zu schultern – Pensionsfonds,
     Versicherungen und andere institutionelle Anleger –, verringerte sich das Risiko einer umfassenden |95| Bankenkrise. Die Strategie »Vergeben und halten« wurde durch die Strategie »Vergeben und verteilen« ersetzt.
    Diese Idee hat durchaus etwas für sich. Der Transfer des Kreditrisikos ist an sich ein gesundes Prinzip, solange die Käufer
     der betreffenden Wertpapiere in der Lage sind, das Risiko korrekt einzuschätzen. Und genau da ist der Haken. Wenn eine Bank
     frisch ausgegebene Hypotheken über die Verbriefungspipeline weiterverkauft, dann hat sie ein Interesse daran, möglichst schnell
     möglichst viele davon loszuwerden. Mit jedem Verkauf bekommt sie mehr Geld, das sie wieder an neue Hypothekenkunden weiterverleihen
     kann. Doch da die Bank kein Risiko mehr übernimmt, ist sie lange nicht mehr so sehr daran interessiert, die Kreditwürdigkeit
     ihrer Kunden zu überprüfen. Eine faule Hypothek wird einfach weitergereicht wie eine heiße Kartoffel. 6
    Als das Geschäft mit den hypothekenbesicherten Wertpapieren dann Ende der neunziger Jahre und nach 2000 gang und gäbe war,
     verzichteten Verleiher, Gutachter, Geschäfts- und Investmentbanken und selbst quasi-staatliche Kreditinstitute wie Fannie
     Mae und Freddie Mac darauf, die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden so gewissenhaft zu prüfen wie früher. Sogenannte »Lügen-Kredite«
     wurden die Regel. Kreditnehmer gaben ein falsches Einkommen an und legten nie einen schriftlichen Nachweis vor. Die berüchtigtsten
     waren die sogenannten Ninja-Kredite: no income, no job, no assets (kein Einkommen, keine Arbeit, kein Vermögen).
    Doch an diesem Punkt endete das Geschäft mit den Verbriefungen noch längst nicht. Finanzunternehmen verbrieften nicht nur
     Hypotheken, sondern auch die verschiedensten Verbraucherkredite wie Kreditkartenschulden, Ausbildungskredite oder Autoleasing.
     Auch alle möglichen Arten von Unternehmenskrediten wurden verbrieft. Die daraus zusammengeschnürten Wertpapiere – forderungsbesicherte
     Wertpapiere – waren so beliebt, dass sich das Geschäft mit den Verbriefungen bald auf anderen Bereiche ausweitete. In einem
     Lehrbuch zum Risikomanagement aus dem Jahr 2001 hieß es treffend: »Es hat mitunter den Anschein, |96| als ließe sich fast alles verbriefen«. Das war nicht übertrieben: Zu Beginn der Krise waren Flugzeugleasing, Einnahmen aus
     Forstwirtschaft und Bergbau, Steuerpfändungen, Einnahmen von Rundfunkverstärkern, Bootskredite, die Einnahmen des Bundes und
     der Bundesstaaten und selbst die Lizenzeinnahmen von Popgruppen verbrieft und in Form von Wertpapieren verkauft.
    Viele der neuen Produkte litten unter denselben Problemen und stellten dieselbe Versuchung dar wie die erste Generation der
     hypothekenbesicherten Wertpapiere: Die Ausgeber hatten keinen Anreiz, ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen und sicherzustellen,
     dass die Kredite auch wieder zurückbezahlt werden konnten. Auch die Investmentbanken, die als Geburtshelfer dieser Wertpapierpakete
     auftraten, vernachlässigten ihre Pflicht: Sie wollten die Pakete loswerden und nicht in ihren Bilanzen halten.
    Theoretisch hätten die Ratingagenturen Moody’s, Fitch und Standard & Poor’s die Alarmglocken läuten müssen. Doch sich auf
     die Ratingagenturen zu verlassen, heißt, den sprichwörtlichen Bock zum Gärtner zu machen: Für die Agenturen gab es wahrlich
     keinen Grund, schlechte Bewertungen zu vergeben (siehe Kapitel 8). Für ihre Bewertungen erhielten sie eine hübsche Provision
     von genau den Einrichtungen, deren Papiere sie bewerten sollten, sowie die Aussicht auf künftige Aufträge. Mit einer realistischen
     Einschätzung hätten sie dagegen ihre Provision genauso vergessen können wie weitere Aufträge. Es war also allemal besser,
     ein Gütesiegel zu vergeben und dann die Daumen zu drücken, dass alles gut ging. Am Vorabend der Krise hatten die Unternehmen
     mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen über die Vergabe von AAA-Ratings für exotische strukturierte Finanzprodukte erzielt, von
     denen ein erheblicher Teil nicht gerechtfertigt war.
    Trotzdem kann man die Krise nicht allein korrupten Ratingagenturen in die Schuhe

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