Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
wurden; und schließlich verhinderte das Auftreten der Notenbanken als letztinstanzlicher Kreditgeber eine
effektive Marktdisziplin.
Auch wenn nicht alle Finanzdienstleister durch Einlagensicherungen geschützt waren, wird eine Lektion aus der Finanzkrise
allen im Gedächtnis bleiben: Wenn es eng wird, tritt ein letztinstanzlicher Kreditgeber auf den Plan, um allen aus der Patsche
zu helfen. Seit der Weltwirtschaftskrise sind Notenbanken immer wieder in diese Bresche gesprungen, in der LTCM-Krise des
Jahres 1998, als die New York Fed eine privatwirtschaftliche Rettungsorganisation orchestrierte, genauso wie in der gegenwärtigen
Krise, als die Federal Reserve den Investmentbanken und anderen, nicht von der Einlagensicherung gedeckten Einrichtungen beispiellose
Summen zur Verfügung stellte.
Das Bewusstsein, dass die Notenbank als letztinstanzlicher Kreditgeber einspringen würde, verringerte den Anreiz der Finanzinstitute,
in großem Umfang liquide Anlagen als Puffer gegen einen möglichen Run vorzuhalten. Es nahm den Anlegern zudem jedes Motiv,
die Leistung dieser Finanzinstitute zu überwachen: Im Falle einer Krise konnte man sich schließlich darauf verlassen, dass
die Notenbanken in aller Welt als Retter in der Not einspringen würden. In dieser Hinsicht erwiesen sich die Prognosen der
Akteure |104| des Finanzsystems als erstaunlich korrekt: Die Notenbanken der westlichen Welt überschlugen sich förmlich, um die notleidenden
Unternehmen zu retten. Auf einen dramatischen Versuch, das Problem des rücksichtlosen Risikoverhaltens in den Griff zu bekommen
– dass nämlich der Bankrott von Lehman Brothers nicht verhindert wurde –, folgten panische Anstrengungen, riesige Teile des
Finanzsystems zu retten.
Wenn es je ein Argument für eine strenge Regulierung der Banken und anderer Finanzinstitute gab, dann dieses. Banken müssen
gezwungen werden, in ausreichendem Umfang liquide Anlagen vorzuhalten, und Aktionäre müssen genug eigenes Geld aufs Spiel
setzen und einen Anreiz bekommen, die Unternehmen genau im Auge zu behalten. Dazu muss jedoch der Staat eine zentrale Rolle
spielen. Leider war von diesem in den Jahren vor der Krise nichts zu sehen. Im Gegenteil, er schuf die Voraussetzungen für
die Krise, nicht nur durch seine Passivität, sondern auch durch seine wenig subtilen Eingriffe.
Das Unbehagen des Staates
Die Notenbank ist vermutlich das mächtigste Instrument, mit dem der Staat seine Kontrolle über die Wirtschaft ausübt. Diese
Macht lässt sich im Guten wie im Schlechten nutzen, wie die Karriere von Alan Greenspan deutlich macht. 13 Schon allein die Tatsache, dass Greenspan den Vorsitz der Federal Reserve erhielt, ist ironisch. Als junger Mann verliebte
er sich unsterblich in den Markt. In den fünfziger Jahren war er sogar einer der Jünger von Ayn Rand, die er für ihre fundamentalistischen
libertären Überzeugungen bewunderte. Greenspans Überzeugung, dass sich der Staat aus der Wirtschaft heraushalten sollte, hinderte
ihn allerdings nicht daran, eine Position in ebendiesem Staat zu übernehmen, als sich die Gelegenheit dazu bot.
Sein erstes öffentliches Amt übernahm Greenspan 1974 als leitender |105| Wirtschaftsberater des amerikanischen Präsidenten Gerald Ford. Doch dieses Amt verblasste im Vergleich zu seiner Ernennung
zum Vorsitzenden der Federal Reserve im Jahr 1987. Seine zwiespältige Haltung gegenüber der Rolle des Staates als Kontrollinstanz
des Marktes war von Anfang an zu spüren. Als vier Monate nach seiner Vereidigung der Aktienmarkt einbrach, eilte Greenspan
sofort zu Hilfe. Vergessen war seine grundsätzliche Ablehnung jeder staatlichen Intervention. Wie er es selbst so treffend
formulierte: »In Krisenzeiten … sollten wir uns erst an langfristigen politischen Fragen orientieren, wenn die unmittelbare
Phase des Chaos überwunden ist.« 14 Greenspan räumte zwar ein, dass die Notenbank zur Linderung einer Finanzkrise als letztinstanzlicher Kreditgeber einspringen
musste, doch er unternahm nichts, um das Entstehen von Finanzkrisen von vorneherein zu verhindern. Er schien wenig interessiert
an der traditionellen Philosophie der Notenbanken, Spekulationsblasen im Keim zu ersticken. Diese brachte der langjährige
frühere Notenbankvorsitzende William McChesney Martin so nett auf den Punkt, als er sagte, die Aufgabe der Notenbank sei es,
»den Punsch abzuräumen, ehe die Party richtig losgeht«. 15
Dazu war
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