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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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Wirkung.
    Denken Sie nur an das Problem eines Ladenbesitzers, bei dem Mitarbeiter an der Kasse sitzen. Das ist ein ganz einfaches Beispiel
     für das Prinzipal-Agent-Problem. Natürlich liegt es im Interesse des Geschäftsinhabers, dass seine Angestellten ehrlich sind
     und kein Geld in die eigene Tasche stecken. Doch er ist nicht allwissend und sieht nicht alles, was in seinem Geschäft vorgeht.
     Er leidet unter einem Phänomen, das die Wirtschaftswissenschaftler als das Problem der asymmetrischen Information beschreiben.
     Es besteht darin, dass der Prinzipal (also der Ladenbesitzer) weniger weiß als der Agent (die Kassiererin). Der Geschäftsinhaber
     muss dafür sorgen, dass sich die Mitarbeiter in seinem Sinne verhalten – keine leichte Aufgabe.
    Nun stellen Sie sich die Potenzierung dieses Problems vor – dann nämlich, wenn viele Ebenen von Mitarbeitern oder Agenten
     da sind, die alle die Möglichkeit haben, sich auf Kosten der »Prinzipale«, die sie beaufsichtigen, zu bereichern. Hinzu kommt,
     dass viele Beschäftigte gleichzeitig Prinzipale (die Verantwortung für ihnen unterstellte Mitarbeiter tragen) und Agenten
     (derjenigen, denen sie selbst unterstellt sind) sind. Daraus ergibt sich das noch schwerwiegendere Problem, dass Mitarbeiter
     zwar nicht stehlen, doch die Ressourcen des Unternehmens nutzen, um überzogene riskante Wetten abzuschließen und sich selbst
     damit die höchsten Prämien zu sichern – auch wenn dadurch das Unternehmen gefährdet wird.
    Ungefähr so ist ein typisches Finanzunternehmen beschaffen, |102| und die Gefahren dieser Arrangements sind im Zuge der jüngsten Finanzkrise immer offensichtlicher geworden. Das Extrembeispiel
     für die Gefahren des Moral Hazard, der Prinzipal-Agent-Probleme und der asymmetrischen Information war womöglich der Zusammenbruch
     von AIG. Dort haben die Machenschaften einer kleinen Gruppe von Mitarbeitern in London das ganze Unternehmen in die Knie gehen
     lassen – und das globale Finanzsystem gleich mit.
    Theoretisch sollten die Aktionäre in der Lage sein, solche Katastrophen zu verhindern. Sie sind das letzte Glied in der Kette,
     die eigentlichen Eigentümer des Finanzunternehmens. In Wirklichkeit haben die Aktionäre aber in der Regel kaum Anreize zur
     Zügelung waghalsiger Banker, Trader und Manager. Wieso? Weil Finanzunternehmen ihr operatives Geschäft in weit höherem Maße
     als gewöhnliche Unternehmen mit fremdem Kapital finanzieren. Im Tagesgeschäft des Unternehmens setzen die Aktionäre selbst
     daher nur wenig aufs Spiel. Sie haben mit anderen Worten kaum Interesse daran, dass Händler große Risiken vermeiden. Das Gegenteil
     ist der Fall. Wenn sich große Risiken auszahlen, können Aktionäre große Gewinne machen. Und wenn nicht, können sie ihren kleinen
     Anteil am Unternehmen verlieren. Das ist natürlich eine schlechte Nachricht, doch wenn man bedenkt, was man im Spiel mit anderer
     Leute Geld gewinnen kann, ist es das Risiko allemal wert. Deshalb gingen die Aktionäre, deren Haut ja nicht auf dem Spiel
     stand, aufs Ganze.
    Theoretisch gibt es einen letzten Damm gegen die Gefahr des Moral Hazard: die Menschen, die Banken und anderen Finanzdienstleistern
     ihr Geld leihen. Wenn es jemanden gibt, der ein Interesse daran hat, die Finanzinstitute zu kontrollieren, dann sie. Sie laufen
     schließlich Gefahr, ihr letztes Hemd zu verlieren, wenn die Banken Dummheiten machen. Leider haben wir hier ein weiteres Beispiel
     der nicht beabsichtigten Konsequenz. Die meisten Banken nehmen Geld in Form von Einlagen auf. Die meisten dieser Einlagen
     sind nämlich versichert. Mit anderen Worten, selbst wenn die Bank das Geld der Sparkunden verspielt, können diese |103| ruhig schlafen, weil sie wissen, dass die Einlagensicherung sie vor möglichen Verlusten schützt. Damit haben auch sie keinen
     Anreiz, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen Banken im Falle einer schlechten Entscheidung bestraft werden.
    Prinzipiell sollten nicht versicherte Gläubiger von Banken und anderen Finanzunternehmen in der Lage sein, diese zu disziplinieren,
     weil ihre Einlagen bei zu großem Risiko in Gefahr geraten. Doch selbst diese Einleger versagten in der jüngsten Krise als
     Kontrollinstanz – aus ganz verschiedenen Gründen: Erstens war der Anteil ihrer Einlagen nicht ausreichend groß; zweitens wurden
     die nicht versicherten Einleger am Ende so behandelt, als wären sie versichert und bekamen die Verluste nicht zu spüren, weil
     sie entschädigt

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