Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Prozent ihrer Gewinne aus dem Wertpapierhandel beziehen, doch im Jahr 1996 hob der Notenbankrat
diesen Anteil auf 25 Prozent an. Im Jahr darauf kaufte mit dem Bankers Trust die erste Geschäftsbank eine Investmentbank auf,
und schon bald folgten andere Banken diesem Beispiel.
Den Todesstoß erhielt der Glass-Steagall Act mit dem geplanten Merger von Travelers und Citicorp. Dieser Zusammenschluss sollte
das traditionelle Bankengeschäft, das Versicherungsgewerbe und den Wertpapierhandel unter einem Dach vereinen und erzwang
eine Entscheidung, denn das neue Finanzmonstrum wäre nach der bestehenden Gesetzgebung illegal gewesen. Nach intensiver |108| Lobbyarbeit löste der Kongress den Glass-Steagall Act Ende 1999 durch ein Gesetz zur Neuordnung des Geldmarktes ab. Damit
war der Weg frei für weitere Zusammenschlüsse von Investmentbanken, Geschäftsbanken und Versicherungsunternehmen.
Eine der Schlüsselfiguren bei der Abschaffung des Glass-Steagall Act war der Wirtschaftswissenschaftler und republikanische
Senator Phil Gramm. Gramm setzte seinen Kreuzzug gegen die Regulierung des Finanzmarktes fort – besonders intensiv im Jahr
2000, als er einem Haushaltsentwurf ein Gesetz zur Neuordnung des Waren-Futures-Marktes anfügte. Dieses Gesetz, das weder
im Senat noch im Abgeordnetenhaus je diskutiert wurde, nahm weite Teile des Derivatmarktes von der staatlichen Regulierung
aus. Zu den von der Kontrolle ausgenommen Instrumenten gehörten auch die Kreditausfallversicherungen, die es dem Käufer ermöglichten,
sich gegen Ausfälle bei einfachen Anleihen (beispielsweise Anleihen von Automobilherstellern) und extrem komplexen Anleihen
(beispielsweise hypothekenbesicherten Wertpapieren) zu versichern. Diese Kreditderivate schossen im vergangenen Jahrzehnt
wie Pilze aus dem Boden und erreichten im Jahr 2008 einen Nominalwert von 60 Billionen US-Dollar. Sie waren das größte der
sogenannten »systemischen Risiken«, die das gesamte Finanzsystem in Gefahr brachten (mehr dazu in Kapitel 8).
Doch die Deregulierer saßen nicht nur im Kongress. Im Jahr 2004 begannen die fünf größten Investmentbanken mit intensiver
Lobbyarbeit vor der Security and Exchange Commission (SEC), der Börsenaufsicht der Vereinigten Staaten, in der Hoffnung, die
gesetzlichen Verschuldungsobergrenzen zu lockern. Über eine Sonderregelung konnten die Finanzunternehmen auf Milliarden von
Dollars zugreifen, die sie als Reserve gegen etwaige Verluste vorhalten mussten. Damit vergrößerten sich zwar ihre möglichen
Profite, doch gleichzeitig schwand das Sicherheitspolster, das Investmentbanken anlegen mussten. Die Börsenaufseher stimmten
dem Wunsch der Investmentbanken einstimmig zu, obwohl sie durchaus einräumten, dass diese Entscheidung ein gewisses Risiko |109| barg. »Wir haben uns gesagt, das sind große Jungs«, meinte einer der Aufseher in einer schwach besuchten Kongressanhörung.
»Das heißt aber auch, wenn etwas schief geht, dann geht es richtig schief.« 21 Investmentbanken reagierten auf diese Deregulierungsmaßnahme mit einer massiven Aufstockung ihres Fremdkapitalanteils bis
zu einem Verhältnis von 1: 20 (von Eigen- zu Fremdkapital), 1:25 und mehr, gegenüber dem Verhältnis von 1:12,5, wie es für
die stärker regulierten Geschäftsbanken galt.
Natürlich teilen nicht alle die Ansicht, dass die Deregulierung die Schuld an der Krise trägt. Konservative Kommentatoren
behaupten, nicht ein Zuwenig an Regulierung sei für die Krise verantwortlich, sondern ein Zuviel. Ihrer Ansicht nach hat der
Community Reinvestment Act aus dem Jahr 1977 entscheidend zu der Spekulationsblase beigetragen. 22 Dieses Gesetz, mit dem verhindert werden sollte, dass Banken bei der Kreditvergabe die ärmeren Stadtteile diskriminierten,
sollte den Angehörigen von einkommensschwachen Gesellschaftsschichten und Minderheiten den Zugang zu Hypotheken erleichtern.
Nach Ansicht der Konservativen habe dieses Gesetz, unterstützt von Fannie Mae und Freddie Mac, dazu beigetragen, den Markt
der Schrotthypotheken aufzublähen und schließlich den Zusammenbruch herbeizuführen.
Die Argumentation ist interessant, aber so nicht haltbar. Die Schrotthypotheken wurden nicht in erster Linie von Fannie Mae
und Freddie Mac ausgegeben, sondern von privaten Hypothekenverleihern wie Countrywide. Das Gesetz wurde außerdem lange vor
dem Immobilienboom verabschiedet. Es stimmt zwar, dass Fannie Mae und Freddie Mac nach
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