Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Notenbank mit Krediten einsprang
oder nicht. In den Vereinigten Staaten waren 2007 sogar rund 40 Prozent aller konventionellen Spareinlagen nicht versichert.
Der Run war also durchaus vernünftig.
Countrywide und Northern Rock machten deutlich, wie schwierig es war, nur die »guten« Banken zu unterstützen. Beide Banken
waren entweder zahlungsunfähig oder auf dem besten Wege dorthin und hätten nach der gängigen Praxis weder neue Geldmittel
noch eine zusätzliche Versicherung ihrer Einlagen verdient gehabt. In der Theorie klingt das gut und richtig. In einer Krise,
in der Kunden ihre Banken stürmen und das Finanzsystem wankt, ist diese Linie jedoch kaum durchzuhalten. Mervyn King, der
Direktor der Bank von England, befand sich in keiner besonders angenehmen Position: Einen Monat nachdem er den Markt belehrt
hatte, er werde faulen Banken nicht unter die Arme greifen, machte er eine 180-Grad-Wende und bot den belagerten Banken zusätzliche
Kredite an. Kurze Zeit später wurde die Bürgschaft auf sämtliche britischen Banken ausgeweitet. Viele Länder folgten diesem
Beispiel oder hoben zumindest die Obergrenze der versicherten Einlagen an.
Diese staatlichen Eingriffe waren erst der Anfang. Im Winter 2007/2008 sah es zwar einen Moment lang so aus, als sei die Krise
gebannt und als beruhigten sich die Märkte wieder. Doch wie jeder weiß, der sich mit der Krisenwirtschaft beschäftigt, war
dies eine Illusion. Die meisten Krisen flauen ab, ehe sie erneut zuschlagen, und oft geht dem eigentlichen Sturm eine Phase
der Ruhe voran.
|142| Im Auge des Wirbelsturms
Im Mai 1930 verkündete der amerikanischen Präsident Herbert Hoover voller Zuversicht: »Wir haben einen der großen wirtschaftlichen
Stürme erlebt, die regelmäßig Not und Leid über unser Volk bringen. … Ich bin überzeugt, dass wir das Schlimmste hinter uns
haben. Mit weiteren gemeinsamen Anstrengungen werden wir uns schnell erholen. Banken und Industrie haben keine bedeuteten
Ausfälle zu verzeichnen. Auch diese Gefahr ist gebannt.« 18 Fast auf den Tag genau 78 Jahre später erklärte der damalige amerikanische Finanzminister Henry Paulson optimistisch: »Wir
haben das Schlimmste hinter uns.« Und eine Woche später fügte er hinzu: »Wir sind dem Ende der Turbulenzen näher als ihrem
Anfang.« 19
Hoover und Paulson machten den klassischen Fehler, das Auge des Sturms für sein Ende zu halten. Sie waren nicht die einzigen
Wirtschaftsweisen, die inmitten eines Zusammenbruchs derartige Einschätzungen abgaben. Jede Krise hat ihre Optimisten, die
irgendwann verkünden, das Schlimmste sei überstanden. Interessanterweise ist dieser Optimismus echt und kein Versuch, die
Märkte gesundzubeten. Sie spiegeln den ehrlichen Glauben wider, der Sturm sei vorübergezogen.
Leider haben Krisen die Angewohnheit, an Stärke zu- und abzunehmen – es kommt selten vor, dass sie nur einmal zuschlagen und
sich dann wieder legen. Sie haben eine gewisse Ähnlichkeit mit Wirbelstürmen, die sich allmählich aufbauen, sich dann wieder
abschwächen, nur um dann erneut an Kraft zu gewinnen und zerstörerischer zu werden als je zuvor. Das verdeutlicht, dass die
Schwächen, die vor jeder großen Krise entstehen, umfassend und strukturell sind. Sie lassen sich nicht mit der Rettung oder
dem Konkurs einer einzigen Bank oder selbst dem Zusammenbruch eines ganzen Finanzmarktsegments beheben.
Viele Krisen folgen diesem Muster. Die britische Krise des Jahres 1847 brach in zwei unterschiedlichen Etappen im April und
Oktober aus. 20 Die Krise des Jahres 1873 war noch komplizierter: Sie |143| begann im April in Wien und legte sich wieder, nur um dann im September in den Vereinigten Staaten zuzuschlagen und im November
ganz Europa lahmzulegen. Die komplexeste Krise war die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre, die mit einem Börsencrash an
der Wall Street begann; auf Runs folgten immer wieder Phasen relativer Ruhe, während im Laufe der folgenden drei Jahre zu
unterschiedlichen Zeiten verschiedene Finanzzentren in aller Welt von der Panik erfasst wurden.
Im Winter 2007/2008 schienen sich die Märkte ein wenig zu beruhigen. Das war überraschend, denn im Spätherbst hatte das Kapital
der Geldinstitute durch Abschreibungen und Verluste neue und gefährliche Tiefststände erreicht. Viele Banken zogen die Zugbrücken
hoch, vergaben weniger Kredite und reduzierten die Bedrohung durch riskante Anlagen. Doch der Wert der
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