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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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vereinbaren. Als zwei Hedge-Fonds von Goldman Sachs
     im Spätsommer 2007 mehr als ein Drittel an Wert verloren, versuchte das Unternehmen die Investoren zu beruhigen, indem es
     behauptete, der Verlust belaufe sich auf 25 Standardabweichungen. 11 Mit anderen Worten, ein Ereignis wie dieses käme nur einmal alle Million Jahre vor. In Wirklichkeit waren die Modelle zur
     Risikoabschätzung fehlerhaft gewesen und von absurden |135| Annahmen ausgegangen (Immobilienpreise gehen nur in eine Richtung: nach oben!); dabei stützten sie sich auf Daten, die nur
     wenige Jahre zurückreichten.
    Ein Blick in die Geschichtsbücher hätte die Beobachter auf die nun folgenden Ereignisse vorbereiten können. Ungewissheit griff
     um sich, das Misstrauen wuchs, und bewährte Vertrauensbeziehungen zerbrachen. Bagehot hatte diese Dynamik schon im Jahr 1873
     beobachtet und geschrieben: »Mit jedem Tag, an dem die Panik wächst, wird das Misstrauen größer und diffuser; es erfasst immer
     mehr Menschen und wird immer heftiger.« 12 Dies führt schließlich zu einem Infarkt des Geldmarktes, auf dem Banken überschüssiges Geld leihen und verleihen. In Bagehots
     Zeiten war das Herz des weltweiten Geldmarktes die Londoner Lombard Street, wo die größten Banken Englands ihren Hauptsitz
     hatten.
    Der Infarkt des Jahres 2007 ereignete sich dagegen in einem amorphen, weit gespannten Netzwerk der internationalen Finanzwelt
     und erfasste nicht nur London, sondern auch New York, Tokio und eine Reihe anderer Finanzzentren. Es handelte sich um den
     Interbankenhandel, über den Banken und andere Finanzunternehmen einander Geld leihen. Ort des Geschehens war der Cyberspace,
     doch in Erinnerung an die anhaltende Bedeutung des Finanzplatzes London heißt der wichtigste Zinssatz dieses Marktes London
     Interbank Offered Rate, kurz LIBOR.
    In der Regel liegt der Tagessatz des LIBOR nur wenige Basispunkte über dem Tagessatz der Notenbanken in aller Welt. Der Grund
     ist einfach: Das Risiko des Geldverleihs zwischen etablierten Banken ist kaum höher als der risikolose Geldverleih der Notenbanken.
     Zinsen für längere Interbankanleihen weichen kaum von den als absolut sicher geltenden Staatsanleihen mit gleicher Laufzeit
     ab.
    Im August und September 2007 machte sich zunehmend Unruhe breit. Die Subprimekrise war in vollem Gange, eine immer größere
     Zahl von Hypotheken fiel aus oder wurde vorzeitig gekündigt. Die Verbriefung stockte, da die Ratingagenturen inzwischen |136| die Hypothekenverleiher und eine Reihe von Zweckgesellschaften herabgestuft hatten. Gleichzeitig gab der ABX-Index den Vertrauensverlust
     in den Wert verschiedener CDO-Tranchen wieder, und der Markt für kurzfristige Schuldverschreibungen versiegte. Andere ominöse
     Vorzeichen wurden erkennbar: Die Aktienmärkte verzeichneten erhebliche Kursschwankungen, und Hedge-Fonds, die ihre Investitionen
     mit komplexen mathematischen Strategien steuerten, erlitten immense Verluste. Immer mehr Verleiher von Subprimehypotheken
     meldeten Konkurs an, darunter auch der Hypothekenriese American Home Mortgage. Die Rentenaufschläge für Unternehmen schwollen
     kräftig an. Ein Run auf Geldmarktfonds von BNP Paribas verstärkte das Gefühl, das irgendetwas ganz furchtbar schief ging.
     Ebenso beunruhigend waren die Schwierigkeiten im sogenannten »Carry Trade«, über den Investoren Währungen mit günstigen Zinsen
     aufnahmen und in Währungen mit hohen Zinsen investierten. Die Krise war nicht mehr einzudämmen, sondern weitete sich auf neue
     und gefährliche Gebiete aus.
    In der Folge wurde der Interbankenhandel im August eng und der Spread zwischen dem LIBOR und den Leitzinsen der europäischen
     Notenbanken immer größer – von zehn auf rund 70 Basispunkte. Das war ungewöhnlich und deutete an, dass der Interbankenhandel
     weitgehend zum Erliegen gekommen war. Banken, die zuvor auf Vertrauensbasis miteinander gehandelt hatten, beäugten einander
     nun misstrauisch, aus Furcht vor den möglichen »Leichen« in der Bilanz des jeweils anderen. Alle europäischen und US-amerikanischen
     Banken wollten Geld aufnehmen, aber keine wollte es verleihen, es sei denn zu ungewöhnlich hohen Zinsen.
    Wie vorherzusehen war, sprangen die Notenbanken ein, oder sie versuchten es zumindest. Am 9. August stellte die Europäische
     Zentralbank 50 Banken Kredite von insgesamt 94,8 Milliarden Euro zur Verfügung, und am folgenden Tag legte sie noch einmal
     61 Milliarden nach. 13 Auch die amerikanische

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