Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
ging in ihr zweites Jahr, und die hohen Ölpreise erschütterten die gesamte Weltwirtschaft. In den Vereinigten Staaten hatten
rund 200 Hypothekenverleiher Konkurs angemeldet, und andere Teile des Schattenbankwesens, allen voran SIVs und Conduits, waren
verschwunden, nachdem die Ausgabe von forderungsbesicherten Wertpapieren zum Erliegen gekommen war. Auch Geschäftsbanken steckten
in Schwierigkeiten; im Laufe des Jahres 2008 verschlechterten sich ihre Bilanzen rapide, und weitere Abschreibungen folgten.
Nach einer kurzzeitigen Atempause im Winter versiegte der Interbankenhandel im Frühjahr und Sommer erneut.
Die Einrichtungen, die den Erhalt des Systems garantieren sollten – kleinere Versicherer wie Ambac und ACA, die sich auf Bürgschaften
für Anleihen spezialisiert hatten (die sogenannten Monoline-Versicherungen), aber auch große Versicherungskonzerne wie AIG
– waren vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers ebenfalls in erheblichen Schwierigkeiten. Über Kreditausfallversicherungen
hatten sie CDO-Tranchen im Wert von mehreren Billionen US-Dollar versichert und damit indirekt ihr eigenes AAA-Rating auf
eine Reihe von strukturierten Finanzprodukten übertragen. Als die Verluste wuchsen, sah es so aus, als müssten die Wertpapierversicherer
zahlen. Doch aufgrund ihres hohen Fremdkapitalanteils fehlte ihnen dazu das nötige Geld. Das wussten die Ratingagenturen,
weshalb sie im Herbst 2007 begannen, die Wertpapierversicherer herabzustufen.
Durch diese realen und drohenden Herabstufungen waren Unternehmen wie Ambac und AIG nicht mehr in der Lage, weiter AAA-Ratings
auf ein breites Spektrum von Wertpapieren zu übertragen. Davon waren bei den kleineren Firmen wie Ambac nicht nur CDOs betroffen,
sondern auch Kommunalobligationen, die das ursprüngliche Geschäft der Wertpapierversicherer darstellten. Im Frühjahr 2008
geriet daraufhin der ansonsten eher langweilige (aber beruhigend verlässliche) Markt der Kommunalanleihen in Turbulenzen.
Viele der Investmentbanken, die zuvor eine entscheidende Rolle auf diesen Märkten gespielt hatten, zogen sich |151| aus Furcht vor Verlusten zurück. Kommunalobligationen wurden nicht mehr refinanziert, und der Markt wurde von Panik erfasst.
Gleichzeitig brachen auch die komplexeren Anleihen mit kurzen Laufzeiten weg, über die amerikanische Kommunen ihre Projekte
finanzierten. Binnen weniger Monate explodierten die Kreditkosten der im Grunde solventen Bundesstaaten und Kommunen.
Wie so vieles andere in dieser Krise ging auch dies auf das Konto der mangelnden Liquidität. Doch auch das Gespenst der Insolvenz
ging um: Viele Kommunen hatten von den steigenden Immobilienpreisen profitiert und mussten nun mitansehen, wie angesichts
der zahlreichen Zwangsvollstreckungen ihre Steuereinnahmen wegbrachen. Die Probleme des Bundesstaates Kalifornien, die sich
bereits im Sommer 2008 abzeichneten, ließen ahnen, was anderen Bundesstaaten und Kommunen bevorstand. Es handelte sich um
ein echtes Problem, nicht nur um eine Frage der Anlegerpsychologie.
Das Problem der Kommunen und Bundesstaaten hing auch mit zwei staatlichen Unternehmen zusammen: Fannie Mae und Freddie Mac,
die ebenfalls ins Wanken gerieten. Sie hatten sich mit einem Fremdkapitalanteil von 40:1 verschuldet, indem sie Hypotheken
ausgaben, die implizit durch den Bundeshaushalt gedeckt waren. Mit diesen vermeintlich risikolosen Forderungen hatten sie
riskante Hypotheken und forderungsbesicherte Wertpapiere gekauft. Im Jahr 2008 erlebten diese Unternehmen massive Verluste,
die rasant ihr Kapital aufzehrten. Die Verluste hatten zwei Ursachen: Zum einen erwiesen sich die Gebühren, die sie bei der
Verbriefung der Hypotheken kassierten, als zu gering, um die Verluste aus diesem Geschäft wettzumachen. In der schlimmsten
Immobilienkrise seit der Weltwirtschaftskrise stellten selbst als erstklassig eingestufte Kreditnehmer die Zahlungen ein,
und zwar in erheblich größerem Umfang als von Fannie Mae und Freddie Mac einkalkuliert. Die Versicherungsprämien fingen die
Verluste nicht mehr auf, und diese tauchten nun in den Bilanzen der beiden Unternehmen auf.
|152| Weitaus entscheidender war jedoch die Tatsache, dass die Investment-Portfolios von Fannie Mae und Freddie Mac vor Schrotthypotheken
und den zugehörigen Wertpapieren aus den Nähten platzten. Bis zum Sommer 2008 waren die Verluste aus diesen Investitionen
derart immens und das Kapital so weit geschwunden, dass
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