Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Investoren in Panik gerieten. Die Furcht wuchs, dass das Duo nicht
mehr in der Lage sein würde, den Wert der Papiere zu garantieren. Schlimmer noch, jene Investoren, die Forderungen der beiden
Hypothekenriesen gekauft hatten, sprachen offen über die Möglichkeit eines Konkurses. Sie nahmen zwar an, dass die Regierung
der Vereinigten Staaten für die Forderungen bürgte, doch dies war keineswegs sicher.
Ein weiteres Mal stellte sich Frage, wie sich das Risikoverhalten der Manager reduzieren ließe. Es war klar, dass bei einem
Konkurs der beiden Unternehmen alles andere als eine staatliche Übernahme die heimischen Finanz- und Hypothekenmärkte in eine
beispiellose Panik versetzen würde. Außerdem würde man so ausländische Investoren, die ihre Forderungen erworben hatten, verschrecken.
Hier ging es nicht nur um den Subprimemarkt: Die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten stand auf dem Spiel. Das heißt,
der Staat hatte im Grunde gar nicht die Möglichkeit, die beiden Geldinstitute in Konkurs gehen zu lassen, um den Märkten ein
Signal zu geben.
Das Ergebnis war eine weitere Verstaatlichung, die im September 2008 abgeschlossen wurde. Unter den Bedingungen der Übernahme
erhielten die Investoren, die Forderungen von Fannie Mae und Freddie Mac erworben hatten, eine Garantie; doch die Besitzer
von Stamm- und Vorzugsaktien verloren ihre Investition. Leider gehörten zu den Vorzugsaktienbesitzern auch einige einheimische
Investoren, darunter Kleinbanken, die über Nacht ihre vermeintlich risikolosen Investitionen verloren. Diese Verluste erschütterten
das taumelnde Finanzsystem weiter.
Am Vorabend der Lehman-Pleite war bereits viel Schaden angerichtet worden. Lehman und andere Investmentbanken, allen |153| voran Merrill Lynch, standen aufgrund der Verluste mit einer Vielzahl von Giftpapieren am Abgrund, und es wurden Zweifel an
ihrer Liquidität laut, von ihrer Solvenz ganz zu schweigen. Das Finanzsystem benötigte nur einen winzigen Stoß, um in haltlose
Panik zu versinken.
Anarchie
Die Panik des Jahres 1907 hat in den Annalen der Finanzkrisen einen besonderen Platz. 24 Mehr als andere Krisen hat sie einen echten Helden – der Banker J. P. Morgan nimmt im amerikanischen Finanzhimmel eine besondere
Stellung ein. Als größter und mächtigster Banker seiner Zeit war er vor der Gründung der Notenbank eine Art letztinstanzlicher
Kreditgeber der Vereinigten Staaten. Die Panik, die er erbte, begann in einer Reihe von kaum regulierten, stark verschuldeten
Geldinstituten, den Vorläufern des heutigen Schattenbankwesens. Wie die Investmentbanken des 21. Jahrhunderts waren diese
sogenannten »Investment-Trusts« zu Morgans Zeit eine undurchsichtige Angelegenheit.
Die Panik brachte einige kleinere Akteure zu Fall und traf schließlich die große Knickerbocker Trust Company. Von dort breitete
sie sich rasch aus und drohte, andere Banken und Trusts im verworrenen Geflecht der Finanzwelt zu vernichten. Morgan war nicht
in der Lage, Knickerbocker zu retten, doch er beschloss, einen Schlussstrich zu ziehen, ehe die Panik ein weiteres angeschlagenes
Finanzunternehmen, die Trust Company of America, erreichte. Die Krise tobte einige Tage lang und erreichte schließlich an
einem Samstag in einer Versammlung ihren Höhepunkt, zu der Morgan die New Yorker Finanzgrößen in seine Bibliothek einlud.
Morgan forderte die Anwesenden auf, sich mit vereinten Kräften hinter die Trust Company of America zu stellen. Die Banker
weigerten sich zunächst, und die Verhandlungen zogen sich bis in |154| die späten Abendstunden des Samstags hin. Als die Banker aufbrechen wollten, sperrte Morgan die Tür ab und steckte den Schlüssel
ein. Dann stellte er ihnen ein Ultimatum: Sie hatten die Wahl, entweder dem Trust unter die Arme zu greifen oder in der Panik
nach dessen Konkurs mit unterzugehen. Wie so oft setzte Morgan seinen Willen durch: Als sich die Banker schließlich am Sonntagmorgen
um 4.45 Uhr auf den Nachhauseweg machten, hatten sie eine Unterstützungserklärung unterzeichnet. Danach ebbte die Panik rasch
ab. 25
An einem ähnlichen Wochenende 101 Jahre später versuchte US-Finanzminister Henry Paulson ein ähnliches Husarenstück. Während
sich Lehman Brothers und Merrill Lynch unaufhaltsam der Insolvenz näherten, rief er am Samstag, dem 13. September 2008, die
New Yorker Finanzelite in den Büros der Federal Reserve in Lower Manhattan zusammen. Paulson erklärte
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