Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können
Aromastoffe.
Nachdem mir dies bewusst geworden war, konnte ich sie überall finden, zum Beispiel auch beim beliebten Oreo-Keks. Zu den Grundzutaten gehören Süßungsmittel in Form von Zucker und Maissirup, Öl und künstliches Vanillearoma. Eine bekannte Café-Kette in der Nähe meines Hauses bietet einen Mokka an, in dem Kaffee und Milch mit einer Fertigmischung mit ähnlichen Zutaten versetzt sind–Zucker, Kokosöl, getrockneter Maissirup und zahlreiche Zusatzstoffe für den Geschmack.
Wir können auch Speiseeis unter die Lupe nehmen. Traditionell besteht diese Köstlichkeit aus Vollmilch, Eiern, Zucker und verschiedenen Zusätzen. Mit wachsender Beliebtheit hat die Industrie etwas ganz anderes daraus gemacht. Die Grundsubstanz ist eine Trockenmischung aus Milchpulver, Zucker und Glukose, Milchbestandteilen und einer Kombination aus Gummi und Emulgator. Im Restaurant oder in der Eisfabrik werden dann Sahne und zahllose Aromen und Farbstoffe sowie eingestreute Süßwaren, Früchte und Nüsse zugesetzt, die zwischendurch zum Kauen anregen sollen.
Solche vorgefertigten, weitgehend künstlichen Aromen, die man zur Eismasse geben kann, stellt beispielsweise David Michael & Company her, ein 100 Jahre altes Unternehmen für Geschmacksinnovationen aus Philadelphia. Die Firma rühmt sich ungewöhnlicher Zusammenstellungen wie Apfel-Kerbel, Heidelbeer-Lavendel,
Schokolade-Espresso-Chipotle, Kokos-Ananas-Thaibasilikum oder Birne-Aprikose-Ingwer. »Ohne Umwege zu Ihrem Geschmacksziel«, verspricht das Marketing.
Als ich mir nach dem Kongress die Internetseiten der Lebensmittelindustrie ansah, wurde mir der Unterschied zwischen Schein und Sein in unserer Nahrung noch bewusster. Mit Chemikalien kann man praktisch alles erzeugen. David Michael liefert Rindfleischaroma in den Nuancen gegrillt, geschmort, scharf angebraten oder durchgebraten. Füllungen oder Säfte kann man statt mit Obst mit künstlichem Fruchtaroma versetzen, und die Firma bietet einen flüssigen Butterersatz an, Butter Plus, von dem ein Pfund fünfzig Pfund echte Butter ersetzt.
Es gibt viele derartige Unternehmen. Savoury Systems vertreibt gebrauchsfertige Aromen, die in erster Linie auf Hefeextrakt und hydrolisiertem Gemüseprotein beruhen, um damit Fleischgeschmack zu imitieren. Im Angebot findet man Hühner-, Rinder-, Schweine-, Puten- und Schinkenaroma, aber auch Geschmacksverstärker, die Fleisch nach Rauch, gebratenem Truthahn, Brathähnchen oder im Feuer geröstetem Knoblauch schmecken lassen sollen. Die vor Chemie nur so strotzenden Meeresfrüchte-Aromen umfassen Hummer- und Garnelenextraktpulver, Krabbenpulver und Muschelaroma.
Kraft bietet Käsepulver für Blauschimmelkäse oder Sahnekäse an, das in Wirklichkeit kaum Käse enthält. Dem Unternehmen zufolge sind die Pulver und Milchproduktaromen von Kraft dazu da, »beliebigen Produktzusammensetzungen Käsegeschmack zu verleihen«, womit es möglich wird, den Käse- und Milchgehalt der Gerichte zu verringern, ohne dafür Geschmack zu opfern. Viele verarbeitete Lebensmittel erhalten ihre »Käsenote« über Pulver auf Molke- oder Magermilchpulverbasis.
Solche Imitate gestatten zahlreiche Kombinationen, mit denen fast jede bekannte Geschmacksrichtung erzeugt werden kann–auch wenn die Industrie dabei ein Grundnahrungsmittel vollständig verwandelt. So schmeckt ungegrilltes Fleisch, als hätte es auf dem Grill gelegen. Die Schicht auf den Tortillachips sieht aus wie Käse, enthält aber vor allem Öl und Aromen. »Mit chemischen Bausteinen, organischen Säuren, Fettsäuren, Gewürzen, Extrakten, Ölen und zahlreichen anderen Zutaten können Geschmacksexperten jede Geschmacksrichtung, von Anchovis bis hin zu Woköl, erzeugen«, erklärt der Autor einer Fachzeitschrift für die Industrie. [Ref 98]
Sobald die Hersteller die Grundzutaten Zucker, Fett und Salz mit künstlichen Stoffen versetzen, können sie fast nach Belieben neue, reizvolle Produkte für den Lebensmittelmarkt kreieren.
Ursprünglich sollte die chemielastige Verarbeitung von Lebensmitteln die Lagerfähigkeit verlängern und Herstellungskosten senken. Erst in jüngerer Zeit sind Geschmacksintensivierung und Verbraucherzufriedenheit in den Mittelpunkt der kreativen Lebensmittelchemiker gerückt. Gesucht wird der Volltreffer.
Die Hersteller sind heute dazu in der Lage, ihren Produkten praktisch jede vorstellbare sensorische Eigenschaft zu geben und –vor allem–ein einzelnes Produkt so zu gestalten, dass es vielfältige
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