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Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können

Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können

Titel: Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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doch es scheinen dieselben Schaltkreise beteiligt zu sein, die auf Hinweisreize reagieren. Geschmacksoptimierte Nahrung teilt dem Gehirn mit: »Das ist etwas Begehrenswertes, besorg dir mehr davon«, wie mir Harriet de Wit von der psychiatrischen Fakultät der Universität Chicago erklärt. [Ref 132] Unmittelbar nach dem ersten salz- und fettreichen Kartoffelchip »will man mehr davon als eine Minute zuvor. Es ist, als würde der Chip das Dopaminsystem anregen, das für unsere Motivation und das Streben nach Belohnungen zuständig ist. Das System springt an, und wir wollen mehr.«
    Der Prozess des Primings ist im Motivationsschaltkreis des Gehirns verankert und bringt Tiere dazu, einem Reiz nachzugehen. Ursprünglich unterstützte dieses Verhalten die Anpassung und ist eines der Elemente, mit deren Hilfe unsere Spezies so überlebensfähig war. »Wenn Anpassung sich lohnt, erscheint es logisch, dass ein Tier hungriger reagiert, sobald es ein bisschen Futter findet«, meint de Wit.
    Wie bei unseren Reaktionen auf Hinweisreize funktioniert auch das Priming teilweise, indem es Erinnerungen an frühere Genusserfahrungen auslöst und die Belohnungspfade im Gehirn aktiviert. Außerdem scheint für de Wit eine Art »Abstinenzdurchbruch« damit verknüpft zu sein: »Wenn jemand versucht hat, sich von Käsekuchen fernzuhalten, und lange ohne ihn ausgekommen
ist, dann aber wieder ein Stückchen probiert, passiert es leicht, dass er viel zu viel davon zu sich nimmt«, berichtet sie. »Er gibt gewissermaßen auf, und dann schaukelt sich das Fressen hoch.«
    Wenn wir Hunger haben, kann fast jedes Lebensmittel einen solchen Fressanfall bewirken–eines der großen Risiken bei einer Diät. Ohne Hunger sind dazu jedoch nur hoch schmackhafte Speisen in der Lage. »Der erste kleine Bissen weckt den Wunsch, mehr davon zu bekommen. Und sobald man isst, will man noch mehr«, beobachtet de Wit.
    Deshalb fällt das Aufhören so schwer. Martin Yeomans von der Universität Sussex unterbrach seine Probanden immer wieder beim Essen, um zu fragen, wie viel Hunger sie haben. [Ref 133] Manche Versuchsteilnehmer schätzten ihren Hunger nach der halben Mahlzeit höher ein als vor dem Essen.
    Eine Untersuchung, die zwei hoch schmackhafte Gerichte–Pizza und Speiseeis–unter die Lupe nahm, unterstreicht die Macht des Primings. [Ref 134] Die Ergebnisse zeigten, dass unsere Motivation, gezielt einem bestimmten Reiz nachzugehen, steigt, sobald der erste Pfad gelegt ist.
    Für diese Studie bekamen 28 Männer zuerst ihr Mittagessen, so dass man davon ausgehen durfte, dass sie keinen Hunger hatten, als der Rest des Experiments stattfand. Nach dem Essen wurden die Männer drei verschiedenen Gruppen zugewiesen. Die eine bekam Pizza, die zweite Eis, die dritte nichts davon. Das Priming lief ab, indem man der ersten Gruppe eine mittelgroße Pizza mit Mozzarella vorsetzte und der zweiten zwei große Schalen mit Vanille- und Schokoladeneis und die Teilnehmer dazu einlud, davon zu probieren. Unmittelbar danach durften die Männer in einem Fragebogen die sensorischen Eigenschaften des
angebotenen Lebensmittels bewerten, darunter Duft, Geschmack und Erscheinungsbild.
    Einige Minuten später wurden beiden Gruppen Pizza und Eis angeboten, und jeder durfte sich nach Herzenslust bedienen. Die Probanden aßen jeweils mehr von der Speise, von der sie bereits probiert hatten.
    Im Gegensatz zu Hinweisreizen ist Priming nicht von langer Dauer. Die Speise, bei der es im Gehirn »Klick« macht, muss also leicht verfügbar sein. Wenn ich einen Keks nehme und die Schale vor mir steht, esse ich wahrscheinlich weiter. Sind aber keine mehr da, oder muss ich erst welche kaufen, wird die Initialzündung unterminiert, weil der Reiz nicht ausreicht, um unser Verhalten zu ändern.
    3. Der Einfluss der Gefühle
    Bei Menschen, die konditioniertes Hyperessen erleben, wird die Macht der Hinweisreize oft durch Gefühle verstärkt, welche die Selbstkontrolle außer Kraft setzen und den Drang zu essen erhöhen. »Das ist eine Art Selbstmedikation«, glaubt George Koob vom Salk Institute. [Ref 135] »Die Leute beeinflussen ihren Erregungszustand. Sie beruhigen sich mit Nahrung.«
    Rajita Sinha von der medizinischen Hochschule der Universität Yale erklärt mir, dass ein Kontrollverlust besonders durch Niedergeschlagenheit und Ärger begünstigt wird. [Ref 136] »Wenn in einer emotional aufgeladenen Atmosphäre diese beiden Gefühle im Spiel sind, finden Sie sich unversehens in der Küche

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