Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können
Programm einmal läuft, ist es schwer zu stoppen.
»Sobald die Schwelle überschritten ist, gibt es kein Halten mehr«, urteilt Raymond Miltenberger, Professor der Forschungsabteilung Kind und Familie an der Universität South Florida und Experte für Störungen der Impulskontrolle. [Ref 119]
Mit der Zeit kann uns die Kluft zwischen der erwarteten und der tatsächlich eintretenden Belohnung irritieren. Um dieselbe Befriedigung zu erzielen wie zu Beginn, wollen wir vielleicht mehr davon: mehr Neues, mehr Stimulation, mehr Kalorien. Nicht ein Stück Kuchen, sondern zwei. Chicken Wings und danach Kuchen mit Schokolade. Mehr Zucker und Fett im Essen. Mehr Abwechslung. Die flüchtige Natur der gesuchten Belohnung kann eine immer heftigere Aufwärtsspirale der Genusssucht in Gang setzen.
Ein Spielsüchtiger kann in der Regel nicht nach einem einzigen Einsatz zufrieden aufhören, und viele Menschen können sich von hyperschmackhaftem Essen nicht nach wenigen Bissen abwenden. Wir sind darauf konditioniert, mehr Belohnung zu wollen. Die Schranken zum Wiederholungsverhalten sind niedergerissen. Wir suchen unablässig nach dem nächsten starken Sinneseindruck.
Das ist das Ergebnis einer Industrie, die unsere Sinne mit diversen Schichten in der von ihr produzierten Nahrung stimuliert. Speisen mit reichlich Zucker, Fett und Salz sowie die Reize, die auf sie hinweisen, fördern insgesamt das Mehr: mehr Erregung … mehr an Essen denken … mehr Verlangen nach Essen … mehr dopamingesteuertes Suchtverhalten … mehr Konsum … mehr opioidgetriebene Belohnung … mehr Überessen, damit es uns besser geht … spätere Sättigung … mehr Kontrollverlust … mehr ans Essen denken … mehr gewohnheitsmäßiges Verhalten … und letztlich immer mehr Gewicht.
All diese Reaktionen werden angesichts stärkerer Reize und allgegenwärtiger Auslöser immer akuter. Überall in unserem Umfeld winken Fett und Zucker. Hyperschmackhafte Lebensmittel sind Superreize. Und wenn ein solcher Reiz sich als Belohnung erweist, wollen wir mehr davon.
24 | Warum wir nicht einfach Nein sagen
Allmählich entwickelte ich eine übergreifende Theorie [Ref 128] zum Belohnungsessen: Der fortwährende Kontakt mit geschmacksoptimierten Produkten verändert unser Gehirn und konditioniert uns auf die fortwährende Suche nach weiteren Reizen. Mit der Zeit beeinträchtigt das machtvolle Verlangen nach Nahrungskombinationen aus Zucker, Fett und Salz unsere Fähigkeit zum bewussten Neinsagen.
Das hieraus erwachsende Verhalten bezeichne ich als »konditioniertes Hyperessen«. Es ist konditioniert , weil es zur automatischen Reaktion auf überall verfügbare Nahrung und die Hinweisreize darauf wird. Hyper- bezieht sich auf das übertriebene Essverhalten, das auf motivierenden Faktoren beruht, die wir nur schwer steuern können.
Konditioniertes Hyperessen läuft auf dieselbe Weise ab wie andere Reiz-Reaktions-Störungen, an denen Belohnungen beteiligt sind, zum Beispiel Spielsucht oder Alkohol- und Drogensucht. Solche Störungen zeichnen sich durch eine hochgradige Empfänglichkeit für sensorische Reize aus und führen üblicherweise zu dem Empfinden, keine Kontrolle mehr zu haben, zu chronischer Unzufriedenheit und zwanghaftem Denken.
Ich glaube, das ist es, was Sarah, Andrew, Samantha und Claudia so zu schaffen macht. Um gegen konditioniertes Hyperessen anzugehen, muss man verstehen, welche Verhaltensmuster damit einhergehen.
Wie kann konditioniertes Hyperessen die Steuerfunktionen im gesunden menschlichen Gehirn überwältigen, die uns doch gestatten
sollten, angesichts geschmacksoptimierter Produkte Nein zu sagen? Was erklärt die Macht der Erregung? Wie kann ein Keks viel mehr werden als ein Keks?
Die drei mächtigen, miteinander verbundenen Faktoren, die unsere Selbstkontrolle aushebeln, können sich auf grundlegende Nervenfunktionen stützen: Hinweisreize, Initialzündung und Gefühle. Diese Auslöser verstärken die Anziehungskraft geschmacksoptimierter Produkte und machen es vielen Menschen schwer, sich davon abzuwenden.
1. Der lange Arm der Hinweisreize
Wir haben gesehen, dass uns ein Hinweisreiz nicht nur aufmerken lässt, sondern uns auch zum Handeln motivieren kann. Wenn wir uns eine Belohnung erhoffen, wollen wir das haben, was unser Fühlen verändert.
Auf dem Weg zum Sport fahre ich am Drive-In einer beliebten Burgerkette vorbei. Sobald ich näher komme, warte ich auf den Anblick und überlege, wie gut jetzt ein Hamburger und ein paar Pommes
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