Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können
Kindern«, meint Johnson. »Bisher kannte ich keine Kinder, die immer weiteressen, bis man sie schließlich unterbricht und sagt: ›Du bist fertig.‹ Inzwischen essen sie, bis sie fast platzen.«
Jennifer Fisher ist Expertin für Kinderernährung am Zentrum für Übergewichtsforschung und Aufklärung an der Temple-Universität. Sie hat dieselben Beobachtungen gemacht. [Ref 187] Bei verschiedenen Gelegenheiten tischte sie Kindern zwischen drei und fünf Jahren mittags entweder eine altersgemäße Portion Makkaroni mit Käse auf oder eine doppelt so große. Zu beiden Mahlzeiten wurden Milch, Apfelmus, Möhren und Kekse als Beilage gereicht. Manche der Kinder, welche die doppelte Portion bekamen, aßen deutlich mehr davon als andere, aber im Durchschnitt nahm diese Gruppe etwa 25 Prozent mehr Kalorien zu sich als die Kinder, die kleinere Portionen bekommen hatten. Teilweise kompensierten die Mehresser dies, indem sie weniger Beilagen zu sich nahmen. Insgesamt nahmen sie aber immer noch 15 Prozent mehr Kalorien zu sich.
»Große Portionen können bei Vorschulkindern einen übergewichtsfördernden Umwelteinfluss darstellen, weil sie zu überhöhter Nahrungszufuhr bei den Mahlzeiten führen«, folgerten die Autoren. [Ref 188] Mit anderen Worten: Wenn man ihnen mehr vorsetzte, aßen sie auch mehr.
In einer Folgestudie an denselben Kindern bekamen alle eine altersgemäße Portion Makkaroni mit Käse. Anschließend bot man ihnen verschiedene Spielzeuge und ein großes Tablett mit zehn ordentlichen Portionen süßer und salziger Leckereien wie Popcorn, Kartoffelchips, Nüssen, Salzbrezeln, Keksen, Bonbons und Speiseeis an. Obwohl die Kinder gesagt hatten, sie wären satt, durften sie zehn Minuten lang essen, was sie wollten, ehe die Wissenschaftler prüften, wie viele Kalorien sie zu sich genommen hatten.
Es stellte sich heraus, dass diejenigen, die mehr genascht hatten, auch die waren, die in der Vorstudie bei der doppelten Portion
Käsemakkaroni stärker zugeschlagen hatten. Aufgrund ihrer mangelnden Fähigkeit, nur bei Hunger zu essen, schienen sie für die Hinweisreize, die von den großen Portionen ausgingen, besonders anfällig zu sein.
Vermutlich hat es schon immer Menschen gegeben, die bereits von Kindesbeinen an Anzeichen für konditioniertes Überessen zeigten. Doch je mehr stimulierendes Essen immer leichter verfügbar ist, desto häufiger stoßen wir auf solches Verhalten. Und das Besorgnis erregende Essverhalten beginnt bereits immer früher.
30 | Die Kultur der Völlerei
Die Frage »Gibt es etwas zu essen?« hatte einst eine soziale und wirschaftliche Dimension. Wir wollten tatsächlich wissen: »Droht eine Hungersnot?«, oder: »Können wir uns das Essen noch leisten? « Diese Vorstellung existiert im Westen so nicht mehr. Heute meinen wir normalerweise: »Kann ich irgendwo Lebensmittel kaufen?«, und: »Kann ich sie irgendwo verzehren?« Die Antwort auf diese Fragen lautet in der Regel: »Ja.« Damit bietet unsere Gesellschaft geradezu Laborbedingungen zur Erforschung des konditionierten Überessens.
Wir haben intensive und häufige Begegnungen mit Nahrung. Überall eröffnen neue Imbisse und Restaurants, während gleichzeitig das Übergewicht zunimmt. [Ref 189] Hoch schmackhafte Speisen sind jederzeit verfügbar, Tag und Nacht und überall. Die Öffnungszeiten von Fastfood-Restaurants und Läden werden immer weiter ausgedehnt. Im Drive-In brauchen wir nicht einmal aus dem Auto zu steigen, und die Autos verfügen über Getränkehalter. Tankstellen werden zu Minisupermärkten ausgebaut, Apotheken bieten zumindest Fitnessriegel an, und selbst im Fitnessstudio sind kleine Mahlzeiten erhältlich.
Aber es geht nicht nur darum, dass wir ständig Nahrung kaufen können. Wir können sie auch leichter verzehren, ob im Auto oder im Gehen, bei gesellschaftlichen Anlässen oder bei der Arbeit. Früher war es verpönt, auf der Straße zu essen oder Popcorn knabbernd ins Büro des Kollegen zu stapfen. Heute gilt so ein Benehmen nicht mehr als unfein. »Die Schranken sind gesunken«, erklärt David Mela von Unilever. [Ref 190]
Inzwischen wird bei den meisten Besprechungen und praktisch jedweden Zusammenkünften etwas zu essen angeboten. »Es ist immer etwas da«, stellt Mela fest. »Man kommt dauernd an Orte, wo Nahrung verkauft wird oder wo andere Menschen essen. «
Wir leben mittlerweile so, dass wir rund um die Uhr essen können. Und viele Menschen tun genau das. »Essen ist so leicht verfügbar und so
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