Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können

Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können

Titel: Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
zu unpassendem Essen zur Unzeit aufgefordert.«
    Aber die Norm, nur zu bestimmten Tageszeiten zu essen, die von selbst vor Überessen bewahrt, gerät selbst in Frankreich mittlerweile unter Beschuss, denn auch hier schießen Imbissbuden, Fastfood-Restaurants und andere Verlockungen aus dem Boden. Sobald geschmacksoptimierte Lebensmittel jederzeit verfügbar
sind, macht konditioniertes Hyperessen vor nationalen Grenzen nicht mehr Halt.
    Jean-Pierre Poulain, der an der Universität Toulouse-le Mirail das Ausbildungszentrum für Tourismus leitet, sieht Anzeichen für einen allmählichen kulturellen Wandel von richtigen Mahlzeiten hin zu dem, was er als »Vagabundenessen« bezeichnet. [Ref 195] In seinen Augen geht damit ein »Strukturverlust« der französischen Essgewohnheiten einher. Vagabundierende Esser nehmen zwar im sozialen Kontext nach wie vor strukturierte Mahlzeiten zu sich, essen jedoch im Lauf des Tages auch immer wieder allein.
    Diese Entwicklung beobachtet auch France Bellisle. »Die Hinweisreize auf Nahrung nehmen in der französischen Umgebung immer mehr zu«, und so wächst auch bei den Franzosen die Tendenz zur Fettsucht, was besonders bei den Kindern erkennbar wird.
    Mit dem Verlust traditioneller Mahlzeiten werden auch die Franzosen flexibler. Sie essen zu anderen Zeiten und an anderen Orten, nicht mehr aus Hunger, sondern zunehmend auf der Suche nach einer Belohnung–und werden nicht mehr satt. »Wenn man ständig isst, greift der Sättigungsmechanismus zwischen den Mahlzeiten nicht mehr«, beobachtet Bellisle. »Der Stoffwechsel gibt keine Rückmeldung mehr, wann man satt ist, und irgendwann kennt man dieses Gefühl gar nicht mehr.«
    Obwohl die Umweltveränderungen in Frankreich noch lange nicht so weit gehen und die Gewichtszunahme der Bürger weniger rasant verläuft als in vielen anderen Industrieländern, ist der Trend unverkennbar. [Ref 196] Der soziale Rahmen, der konditioniertes Überessen unterstützt, baut sich bereits auf.

    Doch Amerika behält seine Vorreiterrolle. Überessen ist ein Lernprozess, bei dem die Fortschritte mit zunehmender Wiederholung immer größer werden. Womit fängt das an? Führen die Veränderungen, wie, wann, wo und wie viel wir essen, zu konditioniertem Essen? Oder hat das konditionierte Essen die sozialen und kommerziellen Vorgaben so verändert, dass stimulierende Lebensmittel so viel leichter erhältlich sind?
    Die Frage nach Henne oder Ei ist noch nicht gelöst, doch hat sich definitiv ein Teufelskreis in Gang gesetzt. Mittlerweile überrascht mich eher, dass manche Leute noch normal essen können, während dies so vielen nicht mehr gelingt.

Was tun? Ein Ausflug in die Lerntheorie

31 | Das Gehirn ins Boot holen
    Allen Widrigkeiten zum Trotz haben wir immer wieder die Gelegenheit, den Zyklus aus Reiz-Verlangen-Belohnung-Gewohnheit zu durchbrechen und gegen konditioniertes Essen vorzugehen. Die Gegenwehr beginnt mit dem Abstecken eines Orientierungsrahmens, der sich auf Ergebnisse der Lerntheorie und die Erkenntnisse diverser anderer wissenschaftlicher Bereiche stützt. Im Folgenden möchte ich Theorien vorstellen, auf denen die in diesem Buch vorgestellten Behandlungsstrategien beruhen.
    Um uns vor Reizen zu schützen, die auf uns einwirken und zum Handeln antreiben, müssen wir zunächst erkennen, wie empfänglich wir für solche Reize sind. Beim konditionierten Überessen sind Hinweise auf bestimmte Lebensmittel der Reiz, und das Überessen ist die gewohnheitsmäßige Reaktion. Die Hinweise sind laut James Leckman, Professor für Kinderpsychiatrie und Kinderheilkunde am Kinderforschungszentrum der medizinischen Hochschule der Universität Yale, »Einladungen an das Gehirn«. [Ref 197]
    »Die Fähigkeit, auf das Verlangen nach Nahrung zu reagieren, ist uns angeboren, doch wenn man diesem Antrieb zu häufig
nachgibt, gerät das System aus den Fugen. Dann werden diese Reize für den Einzelnen übermächtig«, erläutert Leckman. »Um unser Gehirn zu steuern, müssen wir ihm misstrauen. Uns sollte klar sein, dass unsere grauen Zellen uns dazu auffordern, Dinge zu tun, die zu irgendeinem Zeitpunkt der Evolution einmal sehr nützlich waren, aber inzwischen verkehrt laufen.«
    Welch dramatische Ausmaße eine fehlgeleitete Selbststeuerung annehmen kann, beschreibt Raymond Miltenberger am Beispiel des zwanghaften Haarerupfens, einer Reiz-Reaktions-Störung, unter der vornehmlich Mädchen und Frauen leiden. [Ref 198] Die Betroffene bekommt ein einzelnes Kopfhaar in

Weitere Kostenlose Bücher