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Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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vorgestellt, es wären nur die Leute in den Sphären, die die Oberfläche sehen konnten. Eigentlich hätte er es besser wissen müssen. In ein solches Fluggefährt passten nicht mehr als zwei oder drei Personen, und eine viel größere Zahl von Menschen hatte ihn erkannt, als er den weißen Raum verlassen hatte.
    Jagadamba hielt inne. Zum ersten Mal schien sie zu zögern, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. »Du hast natürlich eine Familie, nicht wahr? Ich habe mich nie danach erkundigt. Aber du musst eine haben. Selbst jemand wie du.«
    »Ich … ich habe sie verlassen, um hierherzukommen. Sie sind keine besonders guten Jäger. Ich meine, sie versuchen es, sie geben sich wirklich alle Mühe …«
    »Warum beobachtest du sie nicht einfach?«, fragte Hiresh. »Du musst nur das Dach bitten, sie dir zu zeigen. Stell dir vor, was du sehen möchtest, und es wird deinen Wunsch erfüllen.«
    Aber Stolperzunge wollte sie gar nicht sehen. Er hatte sich furchtbare Sorgen um sie gemacht. Um Steingesicht und die Kinder. Auch in seinem alten Stamm gab es ein paar, die ihm am Herzen lagen, aber er hätte es nicht ertragen, Menschen-Wege wiederzusehen. Nie wieder. Er hatte jetzt andere Verpflichtungen.
    Er schloss die Augen. »Zeig mir …«, murmelte er, ohne genau zu wissen, wen er ansprach.
    Plötzlich war er nicht mehr im Park. Er fiel auf die Knie, aber gleichzeitig sah er die Welt, wie er sie einmal von einem Berg aus gesehen hatte. Nur dass er diesmal viel höher war. Er betrachtete sie aus einer Sphäre. Das musste es sein.
    Tief unter ihm lösten sich die braunen und grauen Flecken des Landes in Einzelheiten auf, wenn er sich darauf konzentrierte. Er sah Straßen und Häuserruinen. Aus der Höhe waren die Umrisse weiterer Gebäude zu erkennen, deren Grundmauern von Moos oder Wald überwuchert waren. Feuchtpfade glitzerten im Licht des Daches, und Flüsse schimmerten zwischen Hügeln. Sie führten bis zu einer riesigen glänzenden Fläche, auf der sich winzige Wellen zeigten. Kleine Flecken übersäten den größten Teil des Landes, und als er sich fragte, was sie bedeuten mochten, ging sein Blick ganz nah an die Oberfläche heran.
    Er zuckte entsetzt zusammen, als er erkannte, was es war. Endlose Reihen von Körpern, die die Wühler in den Boden gepflanzt hatten. Er sah Wesen mit Fell, mit Schuppen und mit Haut, alle möglichen Arten. Die Köpfe hingen schlaff, die Münder standen offen, und jedes Wesen zeigte den Ausdruck einer unvorstellbaren Todesqual. Ihr Gestank und Gestöhne stiegen empor und verbreiteten sich fünf Tagesmärsche weit in jede Richtung.
    »Bring mich von hier weg«, rief er. »Ich will meinen Stamm sehen. Nur meinen Stamm.«
    Als er blinzelte, hatte sich die Landschaft unter ihm verändert. Er hörte das Zischen des Flusses, sah ihn über eine uralte Straße zwischen zwei Hügeln hinunterströmen, vereinzelte Gebäude am Ufer.
    Der u-förmige Komplex des Hauptquartiers löste sich von den Häusern der Umgebung und wurde in seinem Blickfeld größer, bis er die unbenutzten Feuerstellen und die elenden Menschen erkennen konnte, die in der Nähe herumlagen. Er hörte, wie Erwachsene ihre hungrigen Kinder ermahnten, still zu sein.
    Drinnen – er hatte gar nicht gewusst, dass er auch nach drinnen blicken konnte – hörte er Vishwakarmas aufgeregte Stimme rufen: »Jagdführer! Können wir losgehen? Komm schon! Wir sind abmarschbereit. Wir warten nur noch auf dich.«
    Ein Lächeln zog Stolperzunges Lippen auseinander. Er fragte sich, zu wem Vishwakarma sprach, worauf das Dach ihn durch eine Wand in einen angrenzenden Raum brachte, der so klein war, dass Stolperzunge gar nichts von seiner Existenz gewusst hatte.
    Hier kniete Steingesicht. Zuerst freute er sich, doch dann sah er den gequälten Ausdruck in den Augen seines Freundes, der sich vor Schmerzen krümmte.
    Stolperzunge brauchte eine Weile, um zu erkennen, dass der große Mann in Wirklichkeit versuchte, sich zu erheben. Und es nicht schaffte. Stolperzunge keuchte, als er seine Tränen sah. Obwohl Steingesicht mit einer Hand versuchte, sein Schluchzen zu unterdrücken, erhöhte das Dach gehorsam die Lautstärke.
    »Jagdführer? Jagdführer?«
    Mit ungeheurer Anstrengung und einem letzten heimlichen Wimmern richtete Steingesicht den Oberkörper auf und wischte sich die Tränen und den Schweiß vom Gesicht.
    »He, ein Mann braucht seine Ruhe, wenn er seine Gedärme entleeren möchte!« Er zitterte immer noch und dachte, dass niemand seine

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