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Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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unter dem schweren Gewand zitterten. Er war die Hügel hinaufgerannt, während Jagadamba getragen worden war. Der Junge legte als Letzter seinen durchgeschwitzten Schleier ab.
    Die alte Frau zog ein Päckchen hervor, das in ein Tuch gehüllt war.
    »Ha! Du solltest dein Gesicht sehen, Wilder!«
    »Aber das ist Reis!« Die klumpigen, geschmacklosen Körnchen aus Nichts, die er schon im weißen Raum gegessen hatte. Manchmal gab es Stücke aus einem anderen Zeug, das sie Protein nannten. Ihm kam es genauso geschmacklos vor.
    »Hast du etwa Fleisch erwartet? Wir haben hier Millionen Hektar Farmland, Wilder, um das sich ausschließlich unsere Maschinen kümmern. Wir töten niemanden, um ihn zu essen.«
    Stolperzunge schüttelte den Kopf. Fleisch. Bei dem Wort lief ihm das Wasser im Mund zusammen, und er sah Bilder von Gelagen und guten Zeiten, die so lebhaft waren, als würden sie ihm vom Dach gesendet. Allmählich glaubte er, dass er so viel essen konnte, wie er wollte, und trotzdem niemals satt sein würde. Gleichzeitig nahm er den kalten Reis so dankbar an, wie es ihm möglich war.
    »Wie weit noch?«, fragte er.
    »Das musst du nicht wissen, Wilder. Tu einfach, was dir gesagt wird.«
    »Indrani ist meine Frau. Im Stamm ist das eine heilige Verbindung. Sie …«
    »Was weißt du schon von heiligen Dingen?«, gluckste sie. »Euer Leben ist nichts als ein immerwährender Kreislauf der Leidenschaft und der Unwissenheit.«
    Ein paar Reiskörner waren in den Matsch gefallen. Stolperzunge hob sie behutsam auf und steckte sie sich in den Mund. Dann erhob er sich.
    »Wohin gehst du?«
    »Ich mache mich auf die Suche nach meiner Frau. Wenn du mir nicht helfen willst, ist bestimmt jemand anderer dazu bereit.«
    »Du bist verrückt. Ach, setz dich endlich, du Narr! Ich weiß auch nicht, wo sie ist. Nur dass sie bei meinen Freunden, meinen Verbündeten ist. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit werden wir uns mit einer Kontaktperson treffen, und dann erfahren wir alles Weitere. Nur noch ein paar Stunden. Mehr nicht. Und … und es tut mir leid. Eine Ehe ist tatsächlich eine heilige Verbindung. Selbst deine.«
    »Warst du jemals verheiratet, Jagadamba?«, fragte er.
    Sie seufzte und hob den Schleier, um ihm den Zahn zu zeigen, der auch bei geschlossenem Mund sichtbar war. »Wurde dieses Gesicht jemals geliebt?« Sie wartete nicht auf eine Antwort. »Ich bin nicht wie dein kleiner verräterischer Freund.« Sie deutete auf Hiresh. »Ich wurde in einem Zeitalter der Wunder geboren, von denen sich die jungen Leute hier keine Vorstellung mehr machen können. Damals gab es viel weniger Träumer unter den Weltlichen, oh ja! Ich musste nur die Hand ausstrecken, Wilder …« Sie zeigte ihm die Klauenhand, mit gekrümmten Fingern und vor Schwäche zitternd. »Ich musste sie nur zu irgendeiner Wand im Dach ausstrecken und sagen: ›Ich fühle mich zu schwach, um etwas zu tun. Gib mir Kosmetik , mach mich wieder schön!‹ Aber ich wusste, dass ich all das Leid und die Beleidigungen mir in einem früheren Leben verdient hatte, und ich bin nicht daran zerbrochen. Niemals! Damals war ich stark!«
    Andere Leute blickten zu ihnen, als sie die Stimme hob. Sie sah sie an und starrte sie nieder, bevor sie sich wieder Stolperzunge zuwandte. Erneut seufzte sie und klopfte auf den dreckigen Boden. Für einen kurzen Moment wirkte sie traurig und verzweifelt. Dann fiel der Schleier erneut. »Setz dich, junger Wilder. Setz dich hin. Wir alle müssen uns ausruhen.«
    Er setzte sich zwischen die beiden. Hiresh rieb sich immer noch den Arm, sagte aber nichts. Er schien es bewusst zu vermeiden, Jagadamba anzusehen.
    Stolperzunge wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. Hiresh zuckte zusammen.
    »Hast du geträumt?«, fragte der Jäger und zeigte auf die Menge. »So wie einige von ihnen?«
    Hiresh schüttelte den Kopf.
    »Was treibt sie dazu an? Was sehen sie?«
    Der Junge zuckte mit den Schultern. »Das hängt von ihrem Geschmack ab. Abenteuer, historische Ereignisse, Frauen … Mein Onkel … ich habe ihn schon sehr lange nicht mehr gesehen, aber er hat sich vom Dach immer wieder seine Kindheitserinnerungen vorspielen lassen.« Er schüttelte den Kopf.
    »Die meisten«, sagte Jagadamba, »ergötzen sich vermutlich an den tödlichen Jagden deiner Kannibalenkameraden auf der Oberfläche. Nichts ist aufregender als ein realer Tod.«
    Stolperzunge erschauderte. »Sie … sie sind diejenigen, die meinen Stamm beobachten?« Aus irgendeinem Grund hatte er sich

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