Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)
altes Problem suchte. Die Zahl der Verbrechen in Memphis stieg, das Budget für seine Einsatzkräfte sank und die Bürger von Memphis waren alles andere als zufrieden mit dieser Situation. Godwin bat Richard Janikowski, Professor für Kriminologie an der Universität von Memphis, der sich schon längere Zeit mit der Erforschung von kriminellen Mustern beschäftigt hatte, um Hilfe. Für Janikowski war diese Einladung die Möglichkeit, ein Prinzip umzusetzen, von dem er überzeugt war. „Wenn man Polizeikräfte intelligent konzentriert, indem man sie an den richtigen Plätzen einsetzt, am richtigen Tag, zur richtigen Zeit, dann erzielt man auch gute Effekte“, sagt Janikowski. „Entweder verhindert man kriminelle Aktivität oder man fängt die Leute.“
Godwin war schnell überzeugt und tat etwas, das dem Bauchgefühl gestandener Polizisten normalerweise zuwiderläuft: Er stimmte zu, dass die Kriminaldaten seines Archivs Janikowski und seinem Team von Wissenschaftlern zur Verfügung gestellt wurden. Mit diesen Daten entwickelte der Kriminologie-Professor einen analytischen Rahmen, der als Basis für ein Pilotprogramm diente, das zeigte, welche Annäherungen funktionierten und welche nicht.
Ein paar Monate später war klar, dass Godwin und Janikowski richtig lagen. In einer Drei-Tages-Aktion wurde das Programm getestet – und führte zu einem der größten Erfolge, den die Polizei von Memphis je erzielen konnte. Durch die rasche Identifizierung von Plätzen mit erhöhter Kriminalitätserwartung konnte das Memphis Police Department bereits in den ersten zwei Stunden der Aktion 70 Verhaftungen vornehmen – eine Zahl, die sonst maximal an einem ganzen Wochenende erreicht wurde. Nach drei Tagen standen 1200 Verhaftungen zu Buche, mit Delikten von Drogenvergehen und Waffenmissbrauch bis hin zur Prostitution.
Godwin war aber schnell klar, dass der Weg von einem Pilotprojekt zu einem Programm, das in die Tagesarbeit der Polizeikräfte voll integriert ist, noch einiges an Kraft kosten würde. Der grundsätzliche Perspektivenwechsel, Verbrechen nicht nur zu verfolgen und aufzuklären, sondern sie überhaupt zu verhindern, wobei auf statistische Rechenmodelle und die Auswertung großer Datenmengen vertraut werden sollte, brauchte bei seinen Kollegen viel Überzeugungsarbeit. Wichtig für Godwin war, die Vorhersagekraft seines neuen Hilfssheriffs namens BlueCrush mit der Erfahrung und dem Wissen seiner Streifenpolizisten, die seit vielen Jahren Tag für Tag im Revier unterwegs waren, zu kombinieren. Die Erfolge gaben dem Team um Polizeichef Godwin recht und haben BlueCrush zum Herzeigeprojekt gemacht, das mittlerweile auch in andere Städte, wie zum Beispiel das englische Manchester, exportiert werden konnte. 17
„Predictive Policing“ in Memphis
• 30% Reduktion von Verbrechen insgesamt
• 15% Reduktion von Gewaltverbrechen
• 70% Aufklärungsrate von Schwerverbrechen (früher 16%)
Quelle: Memphis Police Department
Auch das Police Department von Los Angeles, als LAPD in vielen Fernsehserien weltberühmt geworden, arbeitet mit einem Computerprogramm für Kriminalprognosen (Predictive Policing, auch PredPol genannt). Die Software dazu wurde von einem Mathematiker und einem Anthropologen von der Santa Clara University entwickelt und zunächst in Santa Cruz getestet. So wie BlueCrush in Memphis errechnet auch das Programm von PredPol aufgrund der vorliegenden Daten die Vorhersagen für die Polizeistreifen. „Der Maßstab des Erfolgs“, erklärt LAPD-Chef Charlie Beck, „ist nicht so sehr, wie viele Verbrecher wir fangen, sondern wie viele Verbrechen wir verhindern können.“ Das ist der wichtigste Effekt dieses Systems. Auch Los Angeles meldet klare Erfolge durch PredPol. „Ich werde nicht mehr Geld bekommen und auch nicht mehr Cops“, sagt der Polizeichef, „aber ich kann das, was ich habe, besser einsetzen.“
Schon bisher haben in Nachbarschaftsinitiativen, via Social Networks oder Twitter, Bürger einander auf Straftaten in ihrer Umgebung aufmerksam gemacht. In Zukunft wird die Polizei ihre Vorhersage-Tools auch den Bürgern zur Verfügung stellen können und durch diese zusätzlichen Daten und entsprechende Feedback-Modelle den Lernprozess der Algorithmen verbessern. 18
Auch Facebook verwendet übrigens Algorithmen, um kriminellen Aktivitäten sowie Fällen von sexueller Belästigung und Kindesmissbrauch nachzugehen. In Florida hatte diese wenig diskutierte Facebook-Technologie, die
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