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Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)

Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)

Titel: Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudi Klausnitzer
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Postings und Chats auf kriminelle Aktivität kontrolliert, den illegalen Kontakt eines 35-jährigen Mannes mit einem 13-jährigen Schulmädchen herausgefiltert und automatisch den Facebook-Mitarbeitern gemeldet, die sofort die Polizei verständigten. Der Mann, der das Mädchen zu einem realen Treffen überreden wollte, wurde verhaftet. Statt des Mädchens kam die Polizei zum Rendezvous.
    Spätestens seit Minority-Report können wir uns vorstellen, in welche Richtung sich solche Systeme auch entwickeln könnten und welche Bürgerrechts- und Datenschutz-Aspekte sich daraus ergeben. Dazu meint Evgeny Morozov in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Das Versprechen des Predictive Policing mag real sein, aber seine Gefahren sind nicht minder real. Die Polizei muss ihre Algorithmen öffentlich zugänglich machen und sicherstellen, dass sie nicht verzerrt sind. Soziale Netzwerke müssen klare Richtlinien erlassen, wie viel Predictive Policing sie selbst unternehmen und wie weit sie bei der Erstellung von Nutzerprofilen gehen wollen!“ Auch Patrick Beuth weist in „Zeit Online“ auf die Kehrseite dieses Systems hin. Wenn unbescholtene Menschen das Gefühl haben, dass ihr Verhalten vorausberechnet wird, dann werden sie sich vielleicht anders benehmen, als wenn sie unbeobachtet wären – sie wären also nicht mehr frei in ihrer Entscheidung. In Deutschland zumindest wäre das verfassungsrechtlich bedenklich. 19

Algorithmen schlagen TV-Experten –
wie Nate Silver die US-Wahl gewann
    Zuschauer von „Fox News“ konnten es live miterleben: Als der ohnehin nicht gerade Obama-freundliche Sender den Sieg Barack Obamas im Bundesstaat Ohio verkündete, wurde ein klassischer Kopf-Bauch-Konflikt zum öffentlichen Fernsehdrama. Der republikanische Wahlstratege Karl Rove, der noch kurz zuvor einen Romney-Erfolg mit zumindest 297 Wahlmännern vorhergesagt hatte, wollte die Zahlen, die klar für einen Obama-Sieg sprachen, einfach nicht glauben. Sein Hirn verzeichnete extreme Störsignale, wenn es das in seinem Kopf bereits vorrätige Bild mit den Daten verglich, die da über Aug und Ohr hereinkamen. Er bestand darauf, dass das von „Fox“ errechnete Ergebnis verfrüht und somit fragwürdig sei, und zwang die News-Moderatorin Megyn Kelly, sich mitten in der Sendung quer durch das „Fox“-Gebäude zu den Zahlenfritzen von „Fox News“ zu begeben, um ihnen seinen Einspruch zu übermitteln. Die Statistiker beruhigten Megyn Kelly. Die Zahlen seien eindeutig und das Rennen in Ohio sei gelaufen. Die Fernsehmoderatorin machte sich auf den Weg zurück ins Studio, um Karl Rove zu überzeugen, dass der Sender zu Recht Obama zum Sieger in Ohio erklärt hatte.
    Zu diesem Zeitpunkt spielte der Ausgang in Ohio für den Obama-Sieg in Wahrheit gar keine Rolle mehr, aber was da vor den Augen des Fernsehpublikums geschah, war ein viel tiefgreifender Vorgang, der diese Wahlnacht kennzeichnete. Es war die Niederlage der sogenannten TV-Experten und ihrer Wahlvorhersagen und der Sieg der Zahlen-Menschen, die mit Algorithmen und den dahinterliegenden Analysemodellen die Prognoseschlacht klar für sich entschieden hatten.
    Was Amerika in den Studios der Nachrichtensender erlebte, war die absolute Fassungslosigkeit, ja die Demontage der „Pundits“, wie die TV-Experten in den USA genannt werden. Das Wort kommt übrigens aus dem Sanskrit: „Pandit“ beschrieb in seiner ursprünglichen Bedeutung einen Wissenden, der religiöse Zeremonien durchführte und die Herrschenden beriet.
    Es war die Nacht, in der Algorithmen über die medienreligiösen Zeremonien der Pundits und Marktforscher, die sich in erster Linie auf klassische Umfrageergebnisse und ihre eigenen Erfahrungen beriefen, siegten. Ein Algorithmus ist eine eindeutige Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems, also die Umsetzung der Lösungsfindung in eine Rechenaufgabe. Es war der Showdown zwischen dem Kopf – verkörpert von komplexen, aber ausschließlich auf Daten beruhenden Analysemodellen – und dem Bauch der Experten, die sich auf Erfahrung und die klassischen Meinungsumfragen stützten. Der große Unterschied zwischen den beiden Lagern: Der „Kopfansatz“ der Statistiker und Mathematiker beruhte auf einem strengen Analysemodell und einem detaillierten Mechanismus der Berechnung der Daten. Ein Ansatz, der durchaus auch kreative und intuitive Elemente enthielt, im entscheidenden Moment der Auswertung aber von einem automatisch agierenden, völlig emotionslosen Algorithmus,

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