Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)
weltweit geschickt werden kann, um Erfahrungen zu sammeln, welche Therapien gerade bei dieser spezifischen Konstellation geholfen haben. Eine Studie des National Center for Health Statistics in den USA hat ergeben, dass 75 Prozent der Ärzte, die das EHR-System verwenden, der Meinung waren, dass es die Behandlungsqualität eindeutig verbessere. 168
In den deutschsprachigen Ländern stellen elektronische Gesundheitsakten einen wesentlichen Pfeiler der von Politik, Gesundheitsbehörden und Industrie verfolgten strategischen Konzepte dar. Österreich hat die Einführung im Jahr 2013 mit dem ELGA-Projekt 169 schon beschlossen, in Deutschland laufen noch unterschiedliche Versuchsprojekte, einen flächendeckenden Einsatz gibt es noch nicht. Eine Reihe von größeren und kleineren Unternehmen hat schon seit Längerem versucht, private Angebote auf diesem Sektor zu etablieren, die von internetbasierten Versionen bis zur Speicherung auf USB-Sticks reichen. Der Erfolg dieser privatwirtschaftlich organisierten Ansätze blieb bisher aber überschaubar. Google hat sein Google Health wieder eingestellt und auch das Durchhaltevermögen von Microsofts HealthVault 170 wird immer wieder hinterfragt.
Dass Menschen ihre Gesundheitsdaten nicht gar so gerne gesetzlich kaum kontrollierten Privatunternehmen anvertrauen, ist verständlich. Wenn Versicherungen wie die US-Company Heritage allein schon aus den an die Versicherung verrechneten medizinischen Leistungen zukünftige Krankenhausaufenthalte berechnen wollen, kann man sich vorstellen, welche vorausschauenden Prognosen mit dem kompletten Set an medizinischen Daten erstellt werden können. In den richtigen Händen kann dies, aufgrund zielgerichteter Präventionsmaßnahmen und rechtzeitiger medizinischer Intervention, viele schwere Erkrankungen verhindern und sogar Leben retten. In den falschen Händen kann es für den Einzelnen zu einer persönlichen Katastrophe führen, wenn Jobchancen, Kreditvergaben oder persönlicher Versicherungsschutz davon abhängen.
Wer ein Gefühl dafür bekommen will, wie wichtig Big Data kombiniert mit Predictive Analytics für den Sektor Epidemiologie werden kann, muss das faszinierende Buch „The Viral Storm“ 171 von Nathan D. Wolfe lesen. Wolfe schildert nicht nur, was unser Dr. Snow in London mit seiner Cholera-Karte für die Entwicklung der Epidemiologie getan hat, sondern wirft auch einen Blick in die Zukunft, in der wir mit der globalen Bedrohung durch „virale Stürme“ fertig werden müssen. Er schildert einen fiktiven „Globalen Kontrollraum“ zur Überwachung von Krankheitsausbrüchen. Ein Zentrum, in dem weltweit Datenströme aus dem Gesundheitsbereich zusammenlaufen und das sich jederzeit mit allen nationalen und regionalen Gesundheitsbehörden und medizinischen Einrichtungen vernetzen kann. Google- und Twitter-Trends sowie Auswertungen sozialer Netzwerke gehören zu den Frühwarnzeichen dieses globalen Gesundheits-Kontrollraums. Mit seinem Grippewarndienst hat Google bewiesen, dass die Analyse von Suchanfragen schneller zu Erkenntnissen über entstehende Epidemien führt, als dies zum Beispiel die zuständige US-Behörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) mit ihren Überwachungsmöglichkeiten tun kann.
Aber was Wolfe als den großen Qualitätssprung eines solchen globalen Kontrollraums sieht, könnte im Big-Data-Zeitalter spektakuläre Dimensionen erlangen: Brandaktuell könnten alle lokalen Daten des Ausbruchs eines Krankheitserregers – ob bekannt oder unbekannt – mit anderen Daten, die lokal gar nicht zur Verfügung stehen, abgeglichen werden. Soziale Nachrichten über Social Media als Fieberthermometer und unsere Smartphones als die dazugehörenden Bewegungsmelder. In Minuten könnten Algorithmen und Bioinformatic-Know-how zur Verfügung gestellt werden, um jede Form der vorausschauenden Analyse aus dieser Kombination aus medizinischen und sozialen Daten regionaler und globaler Art herzustellen. Die Ergebnisse könnten in Simulationsmodellen durchgespielt und mögliche Gegenmaßnahmen evaluiert werden. Ausbreitungsmuster könnten in Echtzeit verfolgt und daraus Bewegungsmuster wie bei Vorhersage eines Hurrikanpfades erstellt werden. Nathan D. Wolfe hat als Virologe gesehen, was wir bis heute auf diesem Sektor haben. Er war im Kontrollraum für Global Disease Detection and Emergency Response der CDC und im Kontrollzentrum der Weltgesundheitsbehörde. Seine Diagnose ist niederschmetternd. Bürokratie, Insuffizienz
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