Das Ende eines Dämons
die Düsternis am dichtesten war, lag etwas auf einem Haufen von menschlichen Gebeinen, das entfernt an einen Menschen erinnerte.
Ein Stöhnen ging von dem Körper aus und wurde zu einem kraftlosen Kreischen, das furchtvoll abbrach. Der Kopf war ebenso knöchern und fleischlos, gespenstisch umrahmt von strähnigem Haar. Der Mund, aus dem die schrillen Laute kamen, war durch die gespannte Haut auf eine schreckliche Weise gefletscht.
Nur die Augen lebten wirklich. Sie waren nicht mehr wirklich Augen, sondern tiefschwarze Kugeln, die sich rastlos bewegten - wie ein Raubtier in seinem Käfig.
Das Entsetzlichste jedoch war, daß diese Abscheu und zugleich Mitleid erregende Kreatur lebte. Aber weder das Leben noch die Finsternis hatten Mitleid mit ihr.
Wie Echsen, die sich ineinander verbissen, waren sie ineinander gefangen: Leben und Unleben - Stoff und Unstoff - Mensch und Dämon.
Vielleicht hatte Vassander längst zu fliehen versucht, doch die Kräfte des Dämons, den er einst beschworen und über den er die Macht verloren hatte, verformten sein Leben so sehr, daß es kein Entrinnen mehr gab.
Vielleicht hatte auch der Dämon sich zu befreien versucht, doch er war so tief in das Leben gedrungen, daß das Fleisch und der Verstand Vassanders magische Ketten für ihn waren, die er nicht mehr abzustreifen vermochte.
Deshalb besaßen Xandoren nur eine begrenzte magische Macht. Vassander hatte gegen die Eindringlinge gekämpft. Erst mit dem Rauch, mit den Fischen des Sees, mit der Furcht der Eindringlinge. Aber das Werkzeug Thonensen war nicht klug und nicht stark genug gewesen.
Und für die Monstrosität in ihrer Unbeweglichkeit gab es nun keine Flucht mehr.
Bevor Nottr und Mon’Kavaer ihre Starre überwanden, wurde Seelenwind lebendig und riß Nottr vorwärts. Sein Arm kam hoch - und herab.
Das Kreischen der Kreatur mischte sich mit einem Sturmgeheul, als der Wind der verlorenen Seelen in die Gebeine fuhr und sie aufwirbelte wie Spreu. Der Herr der Stürme benutzte die Klinge mit mörderischer Gründlichkeit, und diesmal versuchte Nottr nicht, ihn abzuhalten.
Als Vassanders nicht mehr menschliche Form zu sterben begann, versuchte der Dämon, sich von ihm zu befreien. Die Wirklichkeit riß auf hinter ihm. Wo die Wand des Turmes gewesen war, wallte tiefe Schwärze.
Mit einem berstenden Laut fuhr der Dämon aus Vassanders sterbendem Leib. Es war, als ob man ein großes Stück herausriß. Er wurde nicht frei, denn er war längst ein Teil des Körpers geworden. Ein Teil des Dämons lebte, so wie ein Teil Vassanders, des einstigen Erzmagiers von Ugalien, Dämon geworden war.
Und wie es für Vassander im Leben kein Entrinnen aus den Klauen des Dämons gegeben hatte, gab es nun im Tod kein Entrinnen für den Dämon aus den Krallen des Lebens.
Der Herr der Stürmelenkte nun Nottrs Arm und Seelenwind tötete den Xandor mit einem mächtigen Streich.
Stille war darauf, wie immer nach einer gewaltigen Tat.
Dann bebte der Turm.
Mon’Kavaer riß Nottr mit sich die Stufen hinab, wo ihnen O’Braenn mit verzerrtem Gesicht entgegenkam.
»Er stürzt ein!« brüllte er.
In der Tat schwankte der Turm, als wäre er nicht aus festem Stein. Mehr stürzend als laufend erreichten sie das untere Stockwerk. Knirschende und splitternde Geräusche waren um sie. Große Steine kamen die Treppe herab und versperrten den Männern den Ausgang. Die Decke barst, doch während die schweren Balken fielen, wurden sie zu dunklem Rauch, wie auch die Mauern.
Weit über den Männern war nun deutlich die Öffnung in die Finsternis zu sehen - sie glich dem Rachen eines Ungeheuers. Darin verschwand der schemenhafte Turm.
Der Rachen schloß sich mit Blitz und Donner.
Dann war wieder die Wirklichkeit Herr über die Insel.
*
Drei Dinge brachte die Wirklichkeit mit sich:
Thonensen, der Sterndeuter, war frei von den Banden, die ihn zum Sklaven des Xandors gemacht hatten.
Er kam schreiend zu sich, voll der Erinnerungen an die Dinge, die er getan hatte, und die Lorvaner hätten ihn fast erschlagen, aus Furcht, der Dämon könnte in ihn gefahren sein.
Nottr konnte sie davon abhalten, und nach einer Weile wurde der Sterndeuter still, und das Grauen in seinen weit aufgerissenen Augen verschwand in den Hintergrund.
Er erkannte Nottr wieder. Aber er war sehr schwach. Vassander und der Dämon hatten nur mehr wenig Leben in ihm gelassen. Calutt nahm sich seiner an, und Nottrs Viererschaft mußte ihn zum Floß hinabtragen.
Mon’Kavaer war aus Urgats Geist
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