Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
Europäer nach Amerika ein, um sie zu amerikanisieren und dann später auf sie zählen zu können.
Eigentlich klar, oder? Es war die Zeit, in der die Amerikaner versuchten, die europäische Linke für sich einzunehmen. Und tatsächlich gelang es ihnen recht gut, die zukünftigen Führungskräfte auszumachen, also Leute, die in ihrer Gesellschaft eine wichtige Rolle übernehmen würden. Jedes Jahr suchten sie sich fünf, sechs pro Land aus und die lebten dann eine Weile - schön in Watte gepackt - in Amerika. Aus den meisten ist später wirklich etwas geworden. Nur dass die Italiener hinterher fast alle noch linker waren als zuvor.
FOLCO: Und was bot man euch?
TIZIANO: Gleich bei der Ankunft bekamen wir ein Auto und Geld. Und man konnte studieren, wo und was man wollte. Doch leider - für die Stiftung, meine ich - amerikanisierte ich mich keineswegs; vielmehr ging ich nach New York an die Columbia University und begann, chinesische Sprache und Geschichte zu studieren, auf ihre Kosten!
Natürlich war ich schon mit einer gewissen Neugier nach Amerika gekommen. Doch so wie China später zu einer bitteren Enttäuschung werde sollte, entpuppte sich auch Amerika als ein schreckliches Land. Mir persönlich ging es gut, aber was mich umgab - wir lebten ganz in der Nähe von Harlem -, war eine durch und durch rassistische, ungerechte, gewalttätige Gesellschaft.
FOLCO: Gegen wen richtete sich der Rassismus denn?
TIZIANO: Gegen die Minderheiten, vor allem die Schwarzen. War das schlimm, als wir’67 ankamen, meine Herren!
Die Schwarzen waren die Ersten, zu denen wir Kontakt aufnahmen. Mama beschäftigte sich mit dem Theater der schwarzen Revolutionäre, und wir lernten die Black Panthers kennen, mit deren Anführer Carmichael wir uns anfreundeten. Doch selbst die waren eine Enttäuschung. Stell dir vor, Carmichael bat uns, ihm Mokassins aus Florenz zu besorgen! Wir suchten nach Revolutionären und stießen auf solche Schwachköpfe! Und so haben die Weißen schließlich mit ihnen gemacht, was sie wollten.
Ja, Amerika ist zutiefst rassistisch, ungerecht, diskriminierend. Das liegt im System. Die Indianer haben ganz recht, wenn sie sagen: „Immer wenn wir gewannen, war es ein Gemetzel; schlachteten sie aber unsere Frauen und Kinder ab, war es ein Sieg.“
Das ist von Anfang an so gewesen. Als die Weißen den neuen Kontinent betraten, meinten sie, er sei ihnen von Gott gegeben und jedes Mittel, ihn zu erobern, sei recht. Diese Überzeugung ist nach wie vor tief in ihnen verwurzelt. All ihre Erklärungen wie die Bill of Rights sind nichts als leere Worte, die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Amerikaner haben etwas Krankes, nämlich diese Überzeugung, von Gott gesalbt zu sein, wodurch ihnen alles erlaubt ist. Wirklichen Respekt vor anderen Menschen haben sie nicht. Er fehlt ihnen einfach! Die Folterungen jetzt im Irak bestätigen das doch nur.
Es hätte nicht viel gefehlt, Folco, und du wärst auf Kuba geboren! Mama war inzwischen schwanger geworden, aber ich wollte auf keinen Fall, dass mein Kind auf amerikanischem Grund und Boden zur Welt kam. Wir hatten uns sogar schon bei dem Vertreter Kubas bei den Vereinten Nationen gemeldet, um ein Visum zu bekommen und rechtzeitig zu deiner Geburt nach Havanna zu fahren.
FOLCO: Aber dann wurde ich doch in New York geboren. Wolltet ihr mich nicht auch Mao nennen? Ein Glück, dass der Standesbeamte den Namen nicht akzeptiert hat!
TIZIANO: Ja, du bist noch mal davongekommen.
Unsere amerikanischen Freunde waren alle Linke. Einige sind später zu richtigen Revolutionären geworden und haben ein schlimmes Ende genommen. Ein großer Intellektueller, ein ganz netter, hat Selbstmord begangen. Diese Leute träumten von Che Guevara. Carol Brightman, eine unserer besten Freundinnen, wurde die Anführerin der Weatherwomen. John McDermott, ein anderer sehr enger Freund von uns, leitete den Viet-Report , die kriegsfeindlichste Zeitung Amerikas. Und dann war da noch J.J.Jacobs, der wegen eines Bombenanschlags im Knast landete.
Man darf nicht vergessen, wie verheerend die kapitalistische, autokratische Weltanschauung der Amerikaner sich damals in der ganzen Welt auswirkte. In Lateinamerika stützten die Vereinigten Staaten die schlimmsten Diktaturen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen, ohne einen Hauch von Respekt für die Armen, als wären diese Länder ihre Spielwiese. Es waren die Jahre, als die von Amerika finanzierten und ausgebildeten Todesschwadronen all jene verschwinden
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