Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
hatte ich mich abgemüht, die paar Zeilen zusammenzukriegen! Doch dabei war mir auch klar geworden, wie wichtig diese Art von Kommunikation ist. Und so wandelte sich das Bild vom Journalismus, das ich mir als Junge bei den Sportveranstaltungen gemacht hatte - das einer ziemlich über flüssigen und hauptsächlich von Versagern betriebenen Angelegenheit -, als ich begann, über Dinge zu schreiben, die mir wichtig waren, wie soziale Ungerechtigkeit. Ich hatte entdeckt, dass der Journalismus mir erlaubte, auf eine Weise aktiv zu werden, die mir lag, und außerdem zu reisen, was mir schon immer gefallen hatte.
Aber ich hatte vor allem die gesellschaftliche Bedeutung des Journalismus entdeckt. Auch dabei kommt Amerika in meinem Leben eine zentrale Rolle zu: Während ich in New York lebte, um mich mit China zu befassen, entdeckte ich den amerikanischen Journalismus. Ich las die New York Times , die damals eine unglaublich gute Zeitung war und es zum Teil bis heute geblieben ist, und begriff den enormen Einfluss, den ein Journalist auf seine Leser ausübt: Wie jemand, der etwas mehr gehört, gesehen und begriffen hat als andere und dadurch deren Auge und Ohr wird, den Leser beeinflussen kann, indem er Dinge schreibt, auf die dieser von selbst nicht gekommen wäre.
In diesem Sinne hat New York für mich wirklich einen Stein ins Rollen gebracht. Stell dir vor, ich habe sogar ein Praktikum bei der New York Times gemacht! Obwohl ich gar nicht Journalismus studierte, sondern Sinologie und Politik. Aber ich fühlte mich unwahrscheinlich zu dieser Form von Journalismus hingezogen und habe dort auch meine großen Vorbilder gefunden. Denn eine der schönsten, großzügigsten, intelligentesten, stärksten Seiten der amerikanischen Gesellschaft ist diese freie Meinungsäußerung. Dass keiner vor der Macht buckelt. Das deckte sich ganz gut mit meiner anarchischen Sicht der Dinge.
Mit Hingabe las ich James Reston und Walter Lippmann, die gegen die Macht an sich anschrieben, gegen die Arroganz der Macht. Das lag mir. Und ich spürte, dass da Platz für mich war, dass sich mir da eine Aufgabe bot.
Also bin ich eines Tages zur New York Times gegangen. Ich bin einfach ins Zeitungsgebäude marschiert, habe mich vorgestellt, „Ich bin Student an der Columbia University“und so weiter, und habe gefragt, ob ich mal eine Woche bei ihnen hospitieren durfte. Es wurden herrliche Tage. Ich durfte richtig mitarbeiten, erst bei den Lokalnachrichten und dann in der Auslandsredaktion. Und da habe ich eine sensationelle Entdeckung gemacht. Ich war mir bewusst, wie schwer mir das Schreiben fiel, dass ich damit Schwierigkeiten hatte, die mir zum Teil mein Leben lang geblieben sind. Als ich merkte, dass eine Tür in der Redaktion nachmittags immer zu war, fragte ich: „Wer sitzt denn dahinter?“„Da sitzt James Reston.“James Reston! Der schloss sich vier, fünf, sechs Stunden in sein Kabuff, um 120 Zeilen zu schreiben! Einen Text, der morgens in der Zeitung so einfach, locker und mühelos daherkam wie kein anderer! Das tröstete mich.
Ein anderer, den ich grenzenlos bewunderte, war Edgar Snow. Mein Traum war, Journalismus zu machen wie er, unabhängig von den Regeln der Macht, ohne die üblichen Schablonen, auf der Suche nach der Wahrheit, die es, wie ich erst viel später erkannte, vielleicht gar nicht gibt, die ich damals aber für ungeheuer wichtig hielt, um die Gesellschaft voranzubringen. Als ich dann anfing, für den SPIEGEL zu schreiben, den in Deutschland sechs Millionen Menschen lasen, und merkte, dass ich mit dem, was ich schrieb oder nicht schrieb, die öffentliche Meinung bewegen konnte, empfand ich das als eine große und wichtige Aufgabe.
ZWISCHENSPIEL
Es regnet und wir sitzen in der Gompa, Papas kleinem Holzhaus voller tibetischer Abbildungen. Über seinem Bett hängt ein Bild von Mahakala, dem Großen Schwarzen, dem Symbol des Todes. Mama bringt einen Teller mit dampfenden Kartoffeln.
TIZIANO: Danke, Angelina. Ich schaffe aber auch gar nichts mehr. Sogar eine Kartoffel zu pellen, strengt mich an.
Er gießt ein bisschen Öl über seine Kartoffel und schneidet sie in Stücke.
Die ist ja steinhart. Steinhart! Die kannst du selber essen. ANGELA: Hart?
TIZIANO: Wäre es vielleicht möglich, ganz normale Kartoffeln zu bekommen? Richtig durchgegarte?
ANGELA: Tiziano, probier doch mal. Das ist die hiesige Sorte, aus Orsigna, außen mehlig und innen fest.
TIZIANO: Hmm.
Papa fühlt sich heute nicht gut. Er hat kaum geschlafen und
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