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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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verschiedenen Orten der Welt wiedersehen sollten. Solche Leute waren wichtige Kontakte, denn über die Sowjets, die ja die Nordvietnamesen unterstützten, konnte man versuchen, Verbindung zu den Vietcong aufzunehmen.
    Am Ende des Abends lag Louis von Tohaddy d’Aragon stockbesoffen auf dem Rasen unter einem großen Baum, und Sergej Svirin stand über ihn gebeugt und wiederholte ununterbrochen: „Wie heißen Sie? Und wie hieß der Typ aus der Geschichte, die Sie mir vorhin erzählt haben?“Doch Louis war so betrunken, dass er nur noch lallen konnte. Es war unglaublich komisch.
    Jahre später haben wir Sergej Svirin in China wiedergetroffen. Er war zum zweiten Mann der sowjetischen Botschaft in Peking aufgestiegen und außerdem natürlich der dortige Chef des KGB.
    FOLCO: Der war auch Agent?!
    TIZIANO: Sogar ein besonders ausgekochter! Er sprach perfekt Englisch und hatte Lizenz zu töten und ins Bett zu gehen, mit wem er wollte - in der Sowjetunion von damals eine tolle Sache! Später, als wir einmal bei ihm in Peking zum Essen eingeladen waren, fragte ich ihn: „Wie bringt ihr es eigentlich fertig, so viel zu trinken? Denn wenn ihr die anderen betrunken machen wollt, müsst ihr doch mittrinken!“Da verriet er mir das große Geheimnis der sowjetischen Geheimagenten: Bevor sie abends zu einem Empfang gehen, essen sie ein halbes Paket Butter, die im Magen eine Art Schutzfilm bildet. Auf diese Weise kannst du eine ganze Flasche Wodka trinken, ohne dass er dir zu Kopf steigt!
    Mama und ich fanden das alles unglaublich spannend. Stell dir vor, so brave Leute wie wir aus einer so biederen Stadt wie Mailand waren plötzlich in die wildesten Spionagegeschichten verwickelt. Das war doch faszinierend.
    Ein aufregendes Leben, oder? Ich kann mich wirklich nicht beschweren!
    Aber jetzt machen wir Feierabend, was, Folco?
    FOLCO: Willst du die Nachrichten sehen? Sie haben gerade angefangen.
    FERNSEHEN: „ … die sechs Opfer arbeiteten für eine Tochterfirma von General Electric, die mit der Wiederherstellung einer reibungslosen Stromversorgung …“
    TIZIANO: Siehst du? Immer dieselbe Leier.
    FERNSEHEN: „... heute Morgen wurde in Bagdad jedoch das Gerücht laut, in Wirklichkeit handle es sich um Agenten der CIA … Schüsse, um die Menge fernzuhalten. Die Lage ist angespannt und insbesondere für westliche Journalisten gefährlich. Es war die sechzehnte Autobombe hier in Bagdad. Ich gebe zurück nach Rom.“

JOURNALISTEN

    TIZIANO: Ich möchte, dass du Eines begreifst, Folco: Ein wesentlicher Aspekt meiner Arbeit bestand darin zu lesen, besonders über geschichtliche Themen. Sieh dir meine Bibliothek an, da stehen Unmengen von Büchern über Indochina und die Geschichte der Kolonialisierung, die waren sozusagen mein Kompass. Entweder ich nahm die Bücher auf meine Reisen mit oder ich kam zwischendurch nach Hause und las.
    Wer die Fakten von heute nicht in einen größeren Zusammenhang stellt, begreift nichts. Deswegen ist es so wichtig sich vorzubereiten. Verstehst du die Geschichte nicht, verstehst du auch das Heute nicht. Beschränkst du dich auf die aktuellen Nachrichten, dann erzählst du Märchen, denn dann berichtest du, was du unterm Mikroskop siehst, obwohl du eigentlich ein Fernglas bräuchtest. Deswegen halte ich auch nichts von Journalistenschulen. Da lernt man nämlich das Gegenteil von dem, worum es geht, da lernt man die Technik: Wie man einen Artikel anfängt, wie ein guter Schluss aussieht und wie man seine Sachen am schnellsten abschickt. Was man aber wirklich braucht, ist vor allem ein vielseitiges Grundwissen, besonders in Geschichte und Ökonomie, und so etwas kann man sich nur selbst erarbeiten, auf einer Journalistenschule lernt man das jedenfalls nicht. Solche Schulen sind ebenso absurd wie Dichterschulen. Gibt es da etwas zu lernen? Kann einem jemand beibringen, Dichter zu werden?
    Was dieses Grundwissen angeht, habe ich immer die Angelsachsen bewundert. Die haben auf diesem Gebiet eine ganz große Tradition, und das gilt nicht nur für Journalisten, sondern auch für Fotografen. Philip Jones Griffiths etwa, mit dem ich in Kambodscha war, hatte alles, was ich gelesen hatte, auch gelesen; alles, was ich wusste, wusste er auch - nicht um zu schreiben, sondern um Fotos zu machen! Großartig! Tatsächlich ist er einer der ganz großen Fotografen gewesen. Denn um die Tatsachen darstellen zu können, muss man begreifen, was dahinter steckt. Ein Foto - klick! - kann jeder knipsen.
    FOLCO: Wurde der Beruf

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