Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
Monaten ging in Hamburg das Gerücht um, ich sei ein Agent der CIA. Beim SPIEGEL gab es viele, die auch gern nach Vietnam gegangen wären, und so hieß es auf einmal - und ich weiß auch, wer damit angefangen hat: „Dieser seltsame Italiener, der ein bisschen Deutsch spricht und in Amerika Chinesisch studiert hat - wo kommt der eigentlich her? Das muss ein CIA-Agent sein!“
Also kam Dieter Wild, der Chef der Auslandsabteilung, nach Singapur, um mir auf den Zahn zu fühlen. Während der drei, vier Tage, die er bei uns blieb, sagte er immer wieder: „Hättest du nicht Lust, mit mir nach Taiwan zu kommen, Tiziano? Ich lade dich ein!“Natürlich fand ich den Gedanken ungeheuer verlockend, aber ich dachte, ich könne das nicht annehmen, und so lehnte ich mehrmals ab. Bis Mama die rettende Eingebung hatte: „Er will dich wirklich mitnehmen! Vielleicht will er dein Chinesisch testen.“Und so fuhr ich mit. Ich sprach damals ziemlich gut Chinesisch, und wir interviewten den Ministerpräsidenten, den Sohn von Tschiang Kai Tschek, der damals der Parteichef der Nationalisten war. Ich organisierte alles, ich war neng gan , wie die Chinesen sagen, ich kannte mich aus, und als Dieter Wild nach Hamburg zurückkam, sagte er: „Der Mann ist in Ordnung.“
So wurde ich Korrespondent des SPIEGEL.
FOLCO: Und wie hast du ihn davon überzeugt, dass du nicht für die CIA arbeitetest?
TIZIANO: Wir haben nie direkt darüber gesprochen, aber wenn man zehn Tage zusammen ist und über alles Mögliche redet, merkt man so etwas. Ich jedenfalls spüre, ob jemand ein Agent ist oder nicht, und ich wette, die anderen auch. Aber als Journalist war ich damals noch unglaublich naiv, Folco! Es gibt eine schöne Geschichte darüber, wie Dieter Wild mir mit seinem Durchblick half. Die habe ich noch nie erzählt.
In Kambodscha hatte es einen der üblichen Zusammenstöße gegeben. Das südvietnamesische Heer war vorgerückt, die Nordvietnamesen und die Roten Khmer hatten es zurückgeschlagen, und plötzlich waren fünfzehn oder zwanzig Journalisten verschwunden, die genaue Zahl weiß ich nicht mehr. Einfach verschwunden!
In Singapur wimmelte es damals von Agenten und Geschäftemachern aller Art, denn als Freihafen war es für alle offen und lag noch dazu geographisch günstig, Indochina war praktisch um die Ecke. Eines Tages lernten wir einen Mann mittleren Alters kennen, einen Deutschen mit einer chinesischen Freundin, der wusste, dass ich für den SPIEGEL arbeitete, vielleicht hat sogar er Kontakt zu mir aufgenommen. Er nannte sich Louis von Tohaddy d’Aragon, was natürlich ein Deckname war, und behauptete, Kapitän eines Handelsschiffs zu sein, das zwischen Singapur und China verkehrte. Dabei war China damals noch abgeschottet! Nixon hatte Mao gerade zum ersten Mal in Peking getroffen, aber diplomatische Beziehungen gab es noch nicht.
Dieser „Kapitän“erzählte mir also eines Tages, über seine Kontakte habe er erfahren, dass einer der Journalisten, die an der Grenze zwischen Laos und Kambodscha verschwunden waren, ein österreichischer Fotograf, noch lebte und die Mittelsmänner bereit seien, ihn gegen ein Lösegeld freizulassen.
Ich, ein „großer“Journalist, aber vor allem ein großer Grünschnabel …
Er lacht.
… interessierte mich sofort brennend für die Geschichte. Wenn einer der Journalisten noch lebte und ich zu seiner Befreiung beitrug - meine Herren, das würde doch ein großartiger Scoop sein! Die Sache zog sich über Monate hin. Ich verlangte ein Foto des Fotografen und einen handgeschriebenen Brief mit einer Reihe von Angaben, die mir beweisen sollten, dass er noch lebte. Irgendwann fehlte dann nur noch das Lösegeld - es war nicht einmal besonders viel -, um mit Louis von Tohaddy d’Aragon nach Laos zu fahren und die Übergabe zu organisieren. Also schrieb ich an den SPIEGEL: „Leute, ich habe einen Scoop, ich bräuchte nur soundso viel Geld …“Und weißt du, was Dieter Wild mir antwortete? „Vergiss es. Es gibt Dutzende solcher Geschichten!“
FOLCO: War das alles erfunden?
TIZIANO: Ja. Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Eines Abends gaben wir einen großen Empfang und luden alle Leute, die wir in Singapur kannten, in unseren schönen, hell erleuchteten Garten ein. Ihr wart schon im Bett. Unter den Gästen befanden sich auch zwei Agenten der russischen Botschaft, die wir über Sergej Svirin kennen gelernt hatten, den Korrespondenten der sowjetischen Presseagentur TASS, den wir später an
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