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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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aus, bei den Pressekonferenzen in der amerikanischen Botschaft aufzustehen, unangenehme Fragen zu stellen und die Generäle als Lügner zu entlarven, wenn sie uns wieder einen Bären aufzubinden suchten. Für die Botschaft war das oft peinlich, weil er die Heuchelei der Amerikaner aufdeckte. Es war wirklich ein schmutziger Krieg …
    FOLCO: Die Amerikaner erzählten euch Lügenmärchen?
    TIZIANO: Und ob! Während des Kriegs in Kambodscha, das muss 1973/74 gewesen sein, versuchten sie der westlichen Presse weiszumachen, dass die drei berühmten Anführer des kambodschanischen Widerstands, drei Intellektuelle namens Khieu Samphan, Hou Yuon und Hu Nim, und ein vierter, der Saloth Sar hieß und hinterher als Pol Pot bekannt wurde, sogenannte ghosts waren und in Wirklichkeit gar nicht existierten. Sie behaupteten, das seien nur erfundene Figuren und nicht etwa Menschen, die Widerstandsbewegungen anführten. Wenn die Person, die einen dieser Namen führte, umgebracht wurde, nehme einfach ein anderer deren Namen an. Dasselbe wurde übrigens von dem nordkoreanischen Präsidenten Kim Il Sung behauptet. FOLCO: Toll! Über die fünf Saddams gab es eine ähnliche Story!
    TIZIANO: Nur dass ich damals mit dem Bruder von Khieu Samphan gesprochen und der mir gesagt hatte: „Mein Bruder existiert wirklich, das schwöre ich dir.“Verstehst du? Die Amerikaner logen das Blaue vom Himmel herunter! Schon damals erfanden sie all diese Lügen, in denen sie es heute zu wahrer Meisterschaft gebracht haben, und am Ende glaubten wir ihnen gar nichts mehr, nicht einmal das, was leider stimmte, nämlich dass die Roten Khmer entsetzliche Blutbäder anrichteten. Die Roten Khmer waren tatsächlich Mörder.
    FOLCO: War diese Arbeit nicht manchmal sehr mühsam?
    TIZIANO: Weißt du, im Grunde war das nie im engeren Sinne „Arbeit“für mich. Ich tat, was mir gefiel, und bekam auch noch Geld dafür! Nie habe ich meine Arbeit als Last oder Entfremdung empfunden, als verkaufte ich meine Tage, als wäre das Gehalt ein Ausgleich für gestohlene Zeit. Journalist zu sein war für mich immer auch ein Vorwand zu tun, was mir Spaß machte.
    FOLCO: In den Ländern, in denen du lebtest, hast du Freundschaften geschlossen, die Sprache gelernt und dich auch oft gekleidet wie die Leute vor Ort. In China bist du wie ein Chinese herumgelaufen, in Indien wie ein Inder. Warum eigentlich?
    TIZIANO: Weil ich nicht zu „den anderen“gerechnet werden wollte. Ich wollte kein Eindringling sein, der mit dem Fallschirm abspringt, kein Tourist, der kommt, hier und da ein wenig nascht, ein Foto schießt, vielleicht ein Geschenk abgibt und dann wieder verschwindet. Ich wollte mich auf das Land und die Leute einlassen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie … Einmal, weißt du, sind Mama und ich nach Peschawar gefahren, an die afghanische Grenze. Ich liebte es, Teppiche zu kaufen. Beim Handeln lernst du den Verkäufer kennen, nach einer Weile lädt er dich nach Hause zum Abendessen ein, und auf diese Weise kannst du unglaublich viel über sein Land lernen. Schon die Suche nach dem richtigen Teppich ist etwas Herrliches. Du sagst, was du dir wünschst, die ganze Stadt macht sich auf die Suche und dann werden die staubigen Teppiche mit Kamelen herbeigeschleppt, abgeladen und begutachtet. Das ist ein Weg, Kontakt zu dem Land aufzunehmen, verstehst du? So bekommt es ein menschliches Gesicht. Als Journalist unterwegs zu sein, heißt ja nicht nur, nach irgendwelchen Fakten Ausschau zu halten, aus denen man eine Story machen könnte. Es ist auch eine Art, das Leben zu sehen. Wenn du wüsstest, wie wunderbar es ist, die Zuneigung der ganzen Familie zu gewinnen, von der du den Teppich kaufst! Natürlich verfolgt jeder dabei auch sein Interesse: Ich bekomme einen herrlichen Teppich und sie das Geld. Aber daneben entwickelt sich eben auch eine menschliche Beziehung. Um den afghanischen Teppich zu kaufen, habe ich stundenlang mit dem Händler in seinem Keller gesessen und Tee getrunken, bis er uns eines Abends zu sich nach Hause einlud. Mama wurde sofort von den Frauen in Beschlag genommen. Sie holten sie zum Essen auf ihre Zimmer und erzählten ihr die interessantesten Geschichten - Geschichten muslimischer Frauen. Sie wurde überhaupt nicht wie eine Fremde behandelt. Und währenddessen unterhielten wir uns unter Männern.
    So etwas erlebst du nicht, wenn du nur zwischen fünf und sechs im Diplomatendress und mit Eskorte erscheinst. Ein gewisser Chamäleoneffekt ist unglaublich

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