Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
sicher in seinem hübschen Diplomatenkoffer versteckt.
TIZIANO: Ich hatte nie eine Abstinenzkrise, ich brauchte das Opium nicht. Bei meiner Rückkehr nach Singapur war ich wie immer, ging mit euch in den Zoo oder ans Meer, lebte unser ganz normales Familienleben. Aber kaum war ich wieder in Phnom Penh, ging es abends wieder los!
FOLCO: Gingst du oft Opium rauchen?
TIZIANO: Fast jeden Abend.
Seine Stimme verrät falsche Scham.
FOLCO: Wirklich? Das wusste ich ja gar nicht!
TIZIANO: Fast jeden Abend.
FOLCO: Und wieso interessiert dich das jetzt nicht mehr?
TIZIANO: Das Opium ist an eine ganz bestimmte Atmosphäre gebunden, weißt du? An eine besondere Welt. Manche Dinge kann man nicht aus ihrem Kontext reißen und mitnehmen, wie den Sonnenuntergang. Es gab Leute, die das Opium ihr Leben lang mitgeschleppt haben, wohin sie auch gingen; die Pfeifen, die Lampen. Einige haben sich sogar eine richtige Opiumhöhle eingerichtet, um in der gewohnten Atmosphäre rauchen zu können. Ich nicht. Ohne Chantal rauchte ich nicht.
Lange blickt er auf den Bergkamm, hinter dem die Sonne untergeht.
Jahre später, als die Vietnamesen Pol Pot stürzten und ich nach Kambodscha zurückkam, fuhr ich abends als Erstes los, um zu sehen, was aus Chantal geworden war. Ich erkannte die Gegend kaum wieder. Es hatte dort eine kleine Zapfsäule gegeben, nach der man in die dritte oder vierte Querstraße links einbiegen musste. Sie war nicht mehr da. Die ganze Gegend war abgebrannt und dem Erdboden gleichgemacht worden.
Er senkt die Stimme.
Überall waren die Häuser ausgebrannt, seit vier oder fünf Jahren wohnte dort niemand mehr. Es hat mich tief bewegt zu sehen, wie die ersten Kambodschaner, die nach Phnom Penh zurückkehrten, in den Resten ihrer alten Häuser ums offene Feuer saßen. Die Stadt war von den Roten Khmer evakuiert worden. Alle raus! Und wer nicht gehen konnte - peng! Auf der Straße vor der Zentralbank lagen Haufen unbenutzter Münzen. Unglaublich.
Wir alle fragten uns, was aus Chantal geworden war. Man erzählte sich die erstaunlichsten Geschichten. Die Roten Khmer seien gekommen und hätten sie vor ihrer Hütte geköpft; nein, die Roten Khmer seien gekommen und hätten ihre Hütte in Brand gesteckt; nein, die Roten Khmer seien gekommen, aber ihr sei es gelungen, verkleidet nach Vietnam zu fliehen...
Jahrelang blieb Chantals Schicksal ein Geheimnis, bis einer der früheren französischen Plantagenbesitzer erzählte, was wirklich geschehen war. Als die Roten Khmer kamen, nahm Madame Chantal ein Messer, schnitt an mehreren Stellen die Haut ihrer fetten Arme auf, füllte die Diamanten, die sie beiseite gelegt hatte, hinein, nähte die Haut wieder zu und machte sich in einem der zahlreichen Flüchtlingstrupps auf nach Vietnam. Nach einiger Zeit setzte sie sich mit dem Pflanzer in Verbindung, und er half ihr auszureisen. Chantal lebt noch. Sie besitzt heute ein Restaurant in Südfrankreich.
Eine schöne Geschichte, nicht? All diese Diamanten…
Er lacht.
Mein Leben war wirklich voller Abenteuer, das steht fest. Wobei man ihnen gar nicht immer einen moralischen oder politischen Wert zu geben braucht. Das Abenteuer hat auch einen Wert an sich.
ZWISCHENSPIEL
Eines Morgens ruft ein Freund aus England an. Er hat gehört, dass es Papa nicht gut geht, und kündigt an, ihn in drei Tagen besuchen zu kommen. Ich wiederhole mein Sprüchlein, nämlich dass Papa niemanden mehr empfängt. Doch er lässt sich nicht darauf ein. „Wenn er mich nicht sehen will, verfolge ich ihn bis ins Paradies, um ihm einen ordentlichen Tritt in den Hintern zu verpassen, bestell ihm das.“Das tue ich, und Papa wirkt richtig froh, für einen alten Kollegen aus Vietnam eine Ausnahme zu machen.
TIZIANO: Lieber Martin, willkommen! Stell dir vor, ich sehe niemanden mehr, ich gehe nicht einmal mehr ans Telefon. Ich habe mich ganz in mich selbst zurückgezogen. Hast du das Schild am Tor gesehen? „Jeder Besuch ist unwillkommen. Ausnahmslos.“MARTIN: Ich war mir nicht ganz sicher, welches euer Haus war, aber als ich das Schild sah, habe ich gedacht: „Es kann nur dies hier sein!“
FOLCO: Und wenn du dich geirrt hättest? Und einer mit dem Stock gekommen wäre und gebrüllt hätte: „Können Sie nicht lesen?“
TIZIANO: Zuerst hatten wir ein anderes Schild, ein freundlicheres, wie das am letzten Haus von Hemingway: „Unangemeldete Besuche sind am wenigsten erwünscht.“
FOLCO: Freundlicher und daher lange nicht so wirkungsvoll. Aber das jetzige
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