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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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funktioniert. Nicht einmal die Carabinieri kommen mehr auf einen Kaffee vorbei. Nur Hirsche, Wildschweine, ein Fuchs, ein Dachs und das Stachelschwein, das unsere Schwertlilien frisst.
    TIZIANO: Aber als Folco mir sagte, du wolltest kommen, Martin, war das eine große Versuchung. Wir haben eine lange gemeinsame Geschichte. Vor ein paar Tagen hat Folco mich gefragt, welche Journalisten meine Vorbilder waren. Martin Woollacoot vom Guardian, natürlich! Als ich dann nach Saigon kam und dich in Fleisch und Blut vor mir sah, war ich wie vom Donner gerührt.
    MARTIN: Also, wie geht es dir?
    TIZIANO: Bestens! Ich bin in einer wunderbaren Verfassung. Alles was ich beim Warten auf mein Ende sehe, schließt den Kreis. Weißt du, als ein berühmter Zen-Meister einmal gefragt wurde: „Was ist der Sinn von alledem?“, nahm er einen chinesischen Pinsel, tauchte ihn ins Tintenfass und malte einen Kreis. Das ist mein Traum. Schön, nicht? Den Kreis zu schließen.
    Er lacht.
    Und dass bloß kein Freund oder Journalist später schreibt: „Er war grandios! Bis zum letzten Tag hat er gegen den Krebs gekämpft …“Das stimmt nämlich nicht. Gekämpft habe ich dagegen nie.
    Möchtest du einen Gin Tonic mit einer Scheibe Zitrone? MARTIN: Nein, lieber Whisky, wenn du welchen hast.
    Ich hole den Whisky aus dem Schrank.
    TIZIANO: Das Schöne an Momenten wie diesem ist, dass du dich hinsetzen und zurückblicken kannst. All diese Gestalten, auch die, die nicht mehr dabei sind … Diese Erinnerungen genieße ich in vollen Zügen. Der Tag, an dem Bob Shaplen die knarrende Treppe im Hôtel Continental herunterkam, die Zigarre in der Hand, die ihn schließlich umgebracht hat … Das Leben kommt mir vor - wie soll ich sagen? - wie ein großer Film der indischen Epik, der Mahabarata .
    Er lacht.
    Komm, ich zeige dir dein Zimmer. Wir haben allerdings ein Problem mit dem fließenden Wasser, denn die Wildschweine haben die Rohre kaputtgemacht.
    Am Abend wirft Martin einen Köder aus. Er will über Politik reden, wie sie es immer getan haben, über die Tagesereignisse, die Kriege, gemeinsam erlebte und zukünftige. Mir hatte Papa gesagt, über Politik wolle er nicht mehr reden. „Ich weigere mich! Das ist banales, vergängliches Zeug.“Mit seinem alten Kollegen aber gibt er seinen Widerstand auf. Stundenlang sitzen die beiden zusammen, trinken Whisky und diskutieren. Am nächsten Morgen verabschieden sie sich zum letzten Mal, und Martin fährt wieder ab.

ANKUNFT IN CHINA

    TIZIANO: Heute geht es mir gut. Wir könnten eine Stunde plaudern.
    FOLCO: Da ist ja das Kätzchen.
    Es wird von dem riesigen Schäferhund unserer Nachbarn verfolgt.
    TIZIANO: Weg mit dir! Ich will hier keine Hunde.
    Der Hund verschwindet. Mit einem Buckel bleibt das Kätzchen vor der Haustür stehen.
    TIZIANO: Siehst du, es hat Angst.
    FOLCO: Ich glaube eher, die beiden spielen.
    Also, nach Ende des Vietnamkriegs zog unsere ganze Familie für ein paar Jahre nach Hongkong, um auf dein wahres Ziel zu warten …
    TIZIANO: … China!
    China war wirklich ein ungeheures Abenteuer. Mama und ich hatten uns sorgfältig darauf vorbereitet, hatten Chinesisch gelernt und viel gelesen. Aber bevor wir in das Land kamen, das mich so faszinierte und das ich unbedingt sehen und begreifen wollte, haben wir lange warten müssen. Überleg mal: Schon 1967 in New York war es unser Wunschziel gewesen, aber erst 1980 durften wir einreisen.
    Als wir in Hongkong lebten, wussten die Chinesen bereits, dass die Volksrepublik China sich in absehbarer Zeit öffnen würde, und überlegten, welche Journalisten sie ins Land lassen wollten. Sie befürchteten, eine Horde von Agenten würde versuchen einzureisen, um sie zu kritisieren und zu entlarven. Ich gebe zu, dass ich alles tat, um mich ihnen als das zu präsentieren, was ich ehrlich zu sein glaubte: ein Freund Chinas.
    Tatsächlich war ich keiner von denen, die nur auf Chinas Zusammenbruch lauerten. Ich war dem Land ehrlich zugetan, ich verspürte große Sympathie mit den Leuten und der langen kommunistischen Geschichte, die 1921 begonnen hatte, einer blutigen Geschichte mit unglaublich viel Leid. Die Kommunisten hatten Fürchterliches durchgemacht, das darf man nicht vergessen. Heute gibt es einen internationalen Skandal, wenn im Irak jemand geköpft wird; in den Straßen von Schanghai sind die Kommunisten zu Hunderten geköpft worden.
    FOLCO: Von wem?
    TIZIANO: Von den Nationalisten. Sie stellten sie in eine Reihe und pa-pa-pa! Es gibt Fotos mit lauter

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