Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
fotografiert.
Und dann die sogenannten „Pensionen“, in denen wir abstiegen - wie ich die liebte! Die Zimmer waren wenig mehr als Bretterverschläge, und manchmal waren Poster über die größeren Astlöcher geklebt, damit die, die im Nachbarzimmer vögelten, nicht bei dir hineinsehen konnten.
Was einen so packte, war diese bunte Mischung - Tod, Journalismus, vergeudete Leben, diese fünfundvierzig, fünfzig Jahre alten Männer, die in einer letzten Aufwallung von Jugend ihre Frauen, mit denen sie nach Asien gekommen waren, sitzen ließen und sich mit blutjungen Mädchen davonmachten.
Ich hatte nie eine vietnamesische Geliebte, aber mit einer verband mich eine schöne Freundschaft. Ich weiß gar nicht, ob ich dir das je erzählt habe? Sie war Stewardess bei der Air Vietnam. Hin und wieder trafen wir uns und ich lud sie zum Essen ein. Als das neue Regime nach dem Krieg alle Frauen, die solche Positionen bekleidet hatten, zur Umerziehung in Lager steckte, begegnete ich ihr noch ein letztes Mal in der Rue Catinat. Ich tat so, als würde ich sie nicht kennen, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen, doch sie lief auf mich zu, schlang mir die Arme um den Hals und flüsterte, sie wolle nur noch mal kurz hinter meinen Ohren schnuppern. Lustig, oder? Tief bewegt verabschiedeten wir uns voneinander. Sie ging nach Hanoi und ich blieb in Saigon. Verstehst du, was für außergewöhnliche Beziehungen das waren? Ich glaube kaum, dass es heute im Irak auch nur eine einzige Frau gibt, die Lust hätte, die Ohren eines GI zu beschnuppern.
Jetzt habe ich Hunger! Ich habe seit gestern zum ersten Mal Lust, etwas zu essen.
FOLCO: Seit gestern hast du nichts gegessen?
TIZIANO: Nein. Dabei fühle ich mich viel besser, wenn ich etwas zu mir nehme, das gibt mir Energie.
FOLCO: Hm, kein Essen, keine Energie. Da kommt man dann schnell ins Phantasieren.
TIZIANO: Wenn es abends dunkel wurde, gab es im Hôtel Le Phnom draußen an den Tischen um den Swimmingpool exquisite Pfeffersteaks, und dann stiegen alle, bereits etwas angeheitert, in die cyclopousses, die Fahrrad-Rikschas, die am Hoteleingang warteten, und fuhren in den Puff. Und wer das nicht wollte, ging Opium rauchen.
FOLCO: Diese Zeit gehört zu den schönsten deines Lebens, nicht wahr?
TIZIANO: Und zu den aufregendsten. Auch weil alles so neu war. Stell dir doch mal vor, woher ich kam! Hast du das Foto von mir in Mailand gesehen, das mit der Fliege um den Hals? Und auf einmal findest du dich in diesem ganzen Schlamassel wieder, ohne dass dir irgendjemand gesagt hätte: „Falls jemand auf dich schießt, reagierst du am besten so und so.“
FOLCO: Bei allen, die dabei waren, scheint diese Zeit in Indochina einen ganz besonderen Platz im Leben eingenommen zu haben. Deine wichtigsten Freundschaften gehen auf diese Zeit zurück. Diese Erfahrung scheint euch alle geprägt zu haben.
TIZIANO: Ja, irgendetwas daran war magisch. Who was in Vietnam and who wasn’t - die Leute teilten sich tatsächlich in diese zwei Gruppen. Wir waren jung, weißt du, jung und voller Energie. Für viele meiner Kollegen hieß Indochina Mädchen, Bordelle …
FOLCO: … und Opium.
TIZIANO: Ja, Opium. Das war auch für mich eine fesselnde Erfahrung. Mädchen und Bordelle hingegen nicht so, die interessierten mich nicht. Lieber verbrachte ich den Abend in einem kleinen Fischrestaurant am Mekong, trank mit einem Freund Bier und blickte auf das Artilleriefeuer in der Ferne. Natürlich bin ich auch mal im Bordell gewesen, ich wollte ja sehen, wie das war, wie das alles funktionierte, aber sonst …
FOLCO: Und das Opium?
TIZIANO: Also, das war eine unglaubliche Erfahrung. Kambodscha, Kambodscha …
Sein Blick verliert sich in den Bergen.
In Kambodscha war Opium etwas völlig Natürliches. Es war überall zu haben, es gehörte zum täglichen Leben, und als ich nach Phnom Penh kam, gab es dort bereits Opiumhöhlen von ausgesuchter Eleganz.
Für mich aber gab es nur eine. Ich habe auch woanders geraucht, in Vientiane zum Beispiel, in Laos; trotzdem war Opium für mich nur ein Ort: eine Pfahlbauhütte aus Holz und Stroh in einem kleinen Teich, die Hütte von Madame Chantal.
Madame Chantal war eine Sino-Khmer, also eine hellhäutige Kambodschanerin. Sie hatte in einem der größten Bordelle Indochinas gearbeitet, das vor allem von französischen Generälen besucht wurde, und sich dann selbständig gemacht. Sie betrieb die spartanischste Opiumhöhle, die du dir denken kannst, etwas außerhalb vom Zentrum
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