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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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Schildkrötenhaus besuchen gekommen, und eines Abends, als wir in der Bruthitze auf der Veranda saßen, entschloss ich mich, mit ihm zu reden.
    „Ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen, auch wenn ich nicht weiß, wie Sie es aufnehmen werden. Ab nächstem Monat werde ich kein Flugzeug mehr besteigen, denn vor sechzehn Jahren sagte mir ein alter Wahrsager in Hongkong, im Jahre 1993 dürfe ich nicht fliegen, sonst würde ich ums Leben kommen.“
    Er gab mir eine wundervolle Antwort. „Meinen Sie, wir könnten es verantworten, Sie mit dem Flugzeug hierhin und dorthin zu schicken, obwohl wir von dieser Prophezeiung wissen? Reisen Sie, wie Sie es für richtig halten, und schreiben Sie von unterwegs. In einem Jahr sprechen wir uns wieder.“
    So ging es los.
    Mit einem Gefühl, Folco, das ich jedem Menschen dieser Erde wünsche: einem Gefühl grenzenloser Freiheit. Inkognito, nicht als Tiziano Terzani, sondern als ein Niemand, und mit nichts als einem Rucksack in einen Zug zu steigen und nachts Richtung Südthailand los zu fahren - tut tuuuut! Keiner kennt dich, keiner weiß, wohin du willst, niemand erwartet dich am Bahnhof. Keine Frau, die sagt: „Aber übermorgen kommst du wieder!“Frei!
    Er holt tief Luft.
    Natürlich weiß ich, dass das nicht die Freiheit ist, aber es kommt ihr doch sehr nahe! Dieses Gefühl, unbekannt zu sein, ein Niemand, ein Niemand …
    FOLCO: Für dich war das vielleicht etwas Ungewöhnliches, aber ich erlebe das eigentlich relativ häufig.
    TIZIANO: Das sagst du, weil du so lebst, wie du lebst. Aber wenn du in einer Bank als Kassierer arbeiten würdest? Dann müsstest du jeden Morgen zum Chefkassierer sagen: „Guten Morgen, Herr Chefkassierer!“
    Ich lache.
    Na, ist doch wahr! Auch als Fabrikarbeiter bist du nicht irgendwer, sondern für deine Presse zuständig. Und wenn dein Chef kommt, staucht er dich zusammen.
    Ich war zur Rolle meiner selbst geworden und erlebte es als ungeheure Erleichterung, diese Rolle im Schildkrötenhaus zurückzulassen, allein in einen Zug zu steigen und los zu fahren, morgens in Betong anzukommen, wo Tausende von Vögeln aus irgendeinem geheimnisvollen Grund durch die Stadt flogen, nicht in einem der üblichen Hotels abzusteigen, auf die ich als Journalist sonst angewiesen war, weil ich ein funktionstüchtiges Telefon brauchte, um meine Artikel durchzugeben … Ich hatte mir vorgenommen, mir während der ganzen Reise kein Quartier zu nehmen, das mehr als fünf Dollar pro Nacht kostete. Im birmanischen Dschungel auf der Suche nach Khun Sa, dem Drogenkönig, habe ich sogar im Freien übernachtet, in wunderbaren, riesigen Baumkathedralen, wo das Mondlicht durchs Blattwerk sickerte … All das hat mich unbewusst - oder, wenn du so willst, unterbewusst - auf etwas ganz anderes zusteuern lassen.
    Außer dem Verzicht auf Flugzeuge hatte ich mir für dieses Jahr noch etwas vorgenommen: Wo immer ich hinkam, wollte ich den berühmtesten Schamanen oder Hellseher des Ortes aufsuchen. Tatsächlich habe ich auf dieser Reise die unglaublichsten Gestalten getroffen! Von der Jungfrau des Tempels in Medan bis zum Orakel mit der zweitausendjährigen Stimme.
    Diese Reise gehört zu den schönsten Erlebnissen meiner letzten Jahre in Asien.
    FOLCO: Und wieso hast du ausgerechnet über Wahrsager geschrieben?
    TIZIANO: Ich wollte über den anderen Aspekt dieser Länder schreiben. Du kannst nach Singapur fliegen und nach zwei Stunden auf dem Flughafen weiterreisen. In gewisser Hinsicht hast du Singapur dann gesehen, denn geht es dir ums Shoppen, ist auf den ein-, zweitausend Quadratmetern des Flughafens alles zu finden. Du kannst Singapur aber auch durch die Hintertür betreten, dann stößt du noch heute auf das andere Singapur, das Singapur der kampongs. Mit diesem anderen Asien, das mich von Anfang an so fasziniert hatte, wollte ich mich noch einmal beschäftigen, mit seinen phantastischen Geschichten, seinen Traditionen, seinem Aberglauben. Deswegen war ich ja nach Asien gegangen.
    FOLCO: Und davon hattest du dich allmählich entfernt?
    TIZIANO: Ja, als Journalist sah ich diese Welt nicht mehr. Du weißt ja, wie das ist, nicht? Du jagst von einer Pressekonferenz, Cocktailparty, offiziellen Einladung zur anderen.
    Aufs Fliegen zu verzichten, war daher ein ganz großes Abenteuer für mich. Stell dir vor, die Grenze zwischen Vietnam und China passierte ich sogar zu Fuß, weil es damals noch keine Zugverbindung gab. Viele, viele Kilometer bin ich zu Fuß gegangen und habe Asien

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