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Das Ende meiner Sucht

Das Ende meiner Sucht

Titel: Das Ende meiner Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Ameisen
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sondern auch bei den sogenannten nicht stoffgebundenen Süchten wie Essstörungen, Spielsucht, Kaufsucht und Sexsucht. Weitgehend deckungsgleich sind auch die Neurotransmissionsmuster bei Angst, Depression und Störungen der Impulskontrolle. 2
    Die Erkenntnis, dass bei Abhängigkeit und der zugrunde liegenden Dysphorie die charakteristischen Muster der Neurotransmission weitgehend gleich sind, lässt vermuten, dass man Suchtpatienten mit Medikamenten helfen kann, die die Gehirnaktivität beeinflussen. Das erste Medikament gegen Alkoholismus, Disulfiram (Antabus), hat gewissermaßen indirekt so gewirkt. Die Hauptwirkung von Disulfiram besteht darin, dass es die Metabolisierung (den Abbau im Körper) von Alkohol verhindert. Das hat zur Folge, dass sich Formaldehyd im Körper ansammelt, und wenn die Personen dann weiter Alkohol trinken, wird ihnen schlecht. Man hofft, dass auf diese Weise eine mentale Aversion gegen den Konsum von Alkohol entsteht.
    1984, mit der Zulassung von Naltrexon für die Behandlung von Heroinabhängigkeit durch die FDA, trat eine neue Klasse von Suchtmedikamenten in Erscheinung, die direkt die Transmittersysteme beeinflussen. Naltrexon (Handelsnamen in den USA Revia und Depade, in Deutschland Nemexin), das die FDA 1994 für die Behandlung von Alkoholismus zuließ, wirkt an den Opioid-Rezeptoren des Gehirnsund hemmt die Freisetzung von Dopamin. Es folgten Wirkstoffe wie Acamprosat (Handelsname Campral), das an den NMDA-Rezeptoren wirkt und das Glutamat reduziert; Topiramat (Handelsname Topamax), ein Epilepsiemedikament, das die GABA A -Rezeptoren aktiviert und Glutamat reduziert, und Ondansetron (Handelsname Zofran), das den Serotoninspiegel erhöht. Diese Wirkstoffe sind als Anti-Craving-Mittel bekannt, sie werden neben 12-Schritte-Programmen, Psychotherapie und Entzug verordnet, um das Craving zu reduzieren.
    Beim Craving anzusetzen war eine wichtige Entwicklung in der Suchtmedizin. Sie trug der Tatsache Rechnung, dass das Craving das wichtigste belastende Symptom der Sucht ist und außerdem der wichtigste Prädikator und die wichtigste Ursache für Rückfälle sogar nach längerer Abstinenz. Doch selbst die glühendsten Befürworter der Anti-Craving-Therapie müssen zugeben, dass die Ergebnisse bestenfalls mäßig sind.
    In amerikanischen Studien mit Acamprosat zeigte sich kein Unterschied zu Placebo, in europäischen Studien schnitt es etwas besser ab. Alle Studien stellen übereinstimmend fest, dass Acamprosat keine schwerwiegenden Nebenwirkungen hat.
    Randomisierte Studien mit den beiden neben Acamprosat am häufigsten in der Alkoholtherapie verwendeten Anti-Craving-Mitteln Naltrexon und Topiramat ergaben, dass sie das Craving reduzieren mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Tage mit schwerem Trinken ein wenig zurückging und die Zeitspanne bis zum ersten schweren Rückfall ein wenig länger wurde. Die mäßige Wirkung von oral verabreichtem Naltrexon lässt nach etwa drei Monaten nach, bei Naltrexon als Injektionslösung (in den USA unter dem Handelsnamen Vivitrol zugelassen) blieb die Wirkung etwa über ein halbes Jahr erhalten, aber das Craving bestand über die gesamte Dauer des Versuchs fort, und es gab keine allmähliche Abnahme der Tage mit schwerem Trinken. 3 Außerdem haben Naltrexon und Topiramat Nebenwirkungen, die ihren Einsatz einschränken.
    Naltrexon kann die Leber schädigen, weshalb es für Patienten mit Leberzirrhose nicht infrage kommt. Topiramat, entwickelt als Epilepsiemedikament und vermarktet unter dem Handelsnamen Topamax, beeinträchtigt häufig das Gedächtnis, das Denken, das Sprechen und die Bewegung. Unzufriedene Patienten haben es »Dopamax« getauft. Topiramat kann auch Nierensteine verursachen und birgt ein kleines, aber signifikantes Risiko für Glaukome, was zwei Augenspezialisten veranlasst hat, in einem Aufsatz im JAMA zu schreiben: »Blindheit ist kein geringeres Problem als Alkoholabhängigkeit«. Anfang 2008 warnte die FDA, unter Topiramat könnte sich das Risiko von Suizidgedanken und Suizidhandlungen verdoppeln. 4
    Der entscheidende Maßstab für die Behandlung jeder schweren Krankheit ist die Abnahme von Morbidität und Mortalität, das heißt, dass weniger Menschen durch die Krankheit betroffen sind und weniger daran sterben. Anders als bei einer medikamentösen Senkung des Blutdrucks, die deutlich mit einer Abnahme von Morbidität und Mortalität infolge von Bluthochdruck korreliert, hat sich bei einer medikamentösen Verringerung von Craving

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