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Das Ende meiner Sucht

Das Ende meiner Sucht

Titel: Das Ende meiner Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Ameisen
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Mittagessen, zu dem Professor Koob mich einlud, bemerkte er, mein konzeptueller Ansatz – das Craving zu unterdrücken, statt es nur zu reduzieren – passe gut zu den Experimenten, die er und seine Kollegen durchführten. »Mit unseren Experimenten und Ihren Ideen«, meinte er freundlich, »gelingen uns vielleicht echte Fortschritte.«
    Bei der ESBRA-Tagung bekam ich auch Gelegenheit, Jonathan Chick persönlich kennenzulernen, den Mann, dem ich die Veröffentlichung meines Fallberichts verdankte. Wir unterhielten uns sehr herzlich. »In der Medizin«, meinte er, »kann es bis zu einer Generation dauern, bis ein neuer Ansatz akzeptiert ist.«
    Ermutigt durch meine Gespräche mit Giancarlo Colombo und George Koob erwiderte ich: »Ich denke, die Dinge verändern sich bereits, und ich bin entschlossen, alles zu tun, um das zu beschleunigen.«
    Nach der Tagung sah es sehr gut aus für die Zukunft der Baclofen-Therapie in der Suchtmedizin. Einige Monate zuvor, im Januar, hatte ich eine E-Mail von Dr. Pascal Gache bekommen, Leiter der Abteilung Alkohol in der Universitätsklinik von Genf. Er hatte meinen Namen erstmals gehört, als eine alkoholabhängige Patientin ihm einen Artikel über meine Erfahrungen mit Baclofen gezeigt hatte, den ihr wiederum ein Freund gezeigt hatte, der mit einem Journalisten befreundet war; der Artikel war kurz zuvor in der französischen Zeitschrift Top Santé (Beste Gesundheit) erschienen. Pascal Gache las diese Zeitschrift normalerweise nicht, aber die Erwähnung meines Fallberichts in Alcohol and Alcoholism machte ihn neugierig, und nach der Lektüre lud er mich ein, im Juni einen Vortrag in Genf zu halten, dieUniversität werde meine Reise- und Übernachtungskosten übernehmen. Das war eine erfreuliche Wendung, und ich sagte umgehend zu.
    In unseren weiteren Gesprächen berichtete Dr. Gache, dass er vier Patienten hatte, die als Kandidaten für eine Therapie mit hoch dosiertem Baclofen infrage zu kommen schienen. Alle hatten auf die herkömmlichen Behandlungen mit stationärer Entgiftung, Entzugsklinik und Medikamenten nicht angesprochen. Dr. Gache und ich unterhielten uns ausführlich, wie eine Therapie mit hoch dosiertem Baclofen durchzuführen war, und im Laufe der Winter- und Frühlingsmonate tauschten wir uns regelmäßig aus, wie seine Patienten auf Baclofen reagierten. Nach mehreren Monaten konnte er berichten, dass die Therapie einem Patienten nicht gut bekommen war: Er schlief unter Baclofen immer ein. (Ich war froh, dass ich Pascal gewarnt hatte, keiner seiner Patienten dürfe Auto fahren oder etwas tun was gefährlich werden könnte, solange sie noch nicht an Baclofen gewöhnt waren.) Aber den anderen drei Patienten – zwei Männer und die Frau, die ihn auf den Artikel in Top Santé aufmerksam gemacht hatte – ging es hervorragend.
    Die drei Patienten hatten festgestellt, dass Baclofen in sehr unterschiedlicher Dosierung ihr Verlangen nach Alkohol unterdrückte. Die Frau hatte das mit 75 Milligramm täglich erreicht. Die beiden Männer brauchten höhere Dosen, der eine nahm bis zu 300 Milligramm am Tag.
    Dr. Gache leitete mir eine E-Mail der Patientin weiter, die schrieb: »Ich bin verblüfft, dass ich nicht mehr an Alkohol denke, vor allem in schwierigen Situationen… Es ist fantastisch. Bisher keine Schläfrigkeit, nur sehr leichter Schwindel. Ich bin begeistert von meinem Zustand. Danke, dass Sie mir diese Behandlung vorgeschlagen haben.« Der Schwindel verschwand bald.
    Die beiden anderen Patienten äußerten sich ähnlich. Sie verspürten ebenfalls leichte Nebenwirkungen, auch Schläfrigkeit, aber wie der Schwindel waren auch ihre Nebenwirkungen nur vorübergehend.Im Juni reiste ich nach Genf zu dem Vortrag über die Therapie mit Baclofen, den Pascal Gache arrangiert hatte. Es war schön und amüsant zu lesen, dass Pascal der Veranstaltung den Titel gegeben hatte: »Coup de pied dans la fourmilière de l’alcoologie: l’important c’est la dose« (Ein Stich ins Wespennest der Alkoholforschung: Auf die Dosis kommt es an). Der Untertitel war eine Anspielung auf Gilbert Bécauds großen Hit »L’important c’est la rose«. Einige Anwesende hatten meinen Bericht gelesen, und es gab viele bohrende Fragen zu Baclofen und den möglichen Mechanismen, wie es Abhängigkeitssymptome bei Versuchstieren und Menschen unterdrückte.
    Bevor ich wieder heimfuhr, erzählte mir Pascal noch, dass er einige weitere Patienten im Auge habe, die für eine Baclofen-Therapie gut geeignet

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