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Das Ende meiner Sucht

Das Ende meiner Sucht

Titel: Das Ende meiner Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Ameisen
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schienen. Wie die ersten vier hatten auch diese Männer und Frauen auf die üblichen Behandlungen einschließlich stationärer und ambulanter Therapie und Medikation nicht angesprochen. Wir vereinbarten, dass Pascal mich zu seinen Baclofen-Patienten konsultieren und ich ihn unentgeltlich beraten würde.
    Die zweite gute Nachricht war, dass Herr A., der Patient von Dr. Bucknam, seine Therapie mit 100 Milligramm Baclofen täglich plus im Bedarfsfall bis zu 40 Milligramm zusätzlich fortsetzte. Nach zehn Monaten verspürte er immer noch kein Craving, war unter 100 bis 140 Milligramm leicht entspannt ohne Schläfrigkeit oder Benommenheit, die sein hektisches Arbeitsleben gestört hätte, und er trank nach wie vor maßvoll Alkohol, ohne abhängig zu sein. Das war vollkommen anders als seine bisherigen Erfahrungen mit anderen Anti-Craving-Medikamenten wie Naltrexon.
    Wenn Herr A. trank, erlebte er nur eine leichte Euphorie und wollte nie mehr als drei Drinks auf einmal. Damit blieb er deutlich unter der Schwelle von fünf Drinks, die bei einem Mann als diagnostisches Kriterium für problematisches oder Rauschtrinken gewertet werden – und erheblich unter den gefährlichen Mengen, die er früher konsumiert hatte.
    Herr A. informierte mich direkt über eine weitere Veränderung,die zu seinem Wohlbefinden beitrug: Seit er nicht mehr alkoholabhängig war, hatte sich die Beziehung zu seiner Frau erheblich verbessert, und er fürchtete nicht mehr um den Fortbestand seiner Ehe.
    Mit meiner Ermutigung und Beratung schrieb Dr. Bucknam einen Fallbericht über Herrn A. und schickte ihn an Jonathan Chick von Alcohol and Alcoholism (siehe Anhang, Fallbericht 2). Nach dem üblichen Gutachterverfahren und einigen Veränderungen wurde der Fallbericht angenommen, und Jonathan Chick setzte die elektronische Veröffentlichung für den 15. Dezember 2006 an, ziemlich genau zwei Jahre nach der Veröffentlichung meines Berichts.
    Etwa zur selben Zeit erfuhr ich, dass das PHRC die Studien von »Baclotrexon« versus Naltrexon abgelehnt hatte. Es gab Bedenken wegen der Sicherheit von »Baclotrexon« und wegen der geplanten Dosierung von 120 Milligramm Baclofen.
    In einer Hinsicht war ich erleichtert, weil »Baclotrexon« eine nicht getestete Medikamentenkombination war, über deren Sicherheit man nichts wusste, und weil die Verwendung in dem Versuch es unmöglich gemacht hätte, etwas über hoch dosiertes Baclofen herauszufinden, und zudem Zweifel an dem Nutzen dieser Medikation allein aufgeworfen hätte. Aber natürlich war ich frustriert, dass es keine Chance gab, die multizentrische Studie mit hoch dosiertem Baclofen durchzuführen, die ich ursprünglich im Sinn gehabt hatte.
    Ich wollte weiter über die normalen wissenschaftlichen Kanäle daran arbeiten, eine randomisierte Studie mit hoch dosiertem Baclofen auf den Weg zu bringen. Aber zu diesem Zeitpunkt schien mir, damit Baclofen eine faire Chance erhielt, müsste ich diese Kanäle verlassen und das, was ich wusste, einer breiten Öffentlichkeit vorstellen, einschließlich Wissenschaftlern, Ärzten und Suchtpatienten. Ich machte mich daran, dieses Buch zu schreiben.

9. WIE BACLOFEN WIRKT: WAS WIR WISSEN UND WAS WIR NOCH HERAUSFINDEN MÜSSEN
    »Es ist so schön, dass du wieder wie früher bist«, sagte mein Bruder Jean-Claude.
    »Ganz und gar nicht«, erwiderte ich. »So habe ich mich noch nie in meinem Leben gefühlt. Mag sein, dass es ausgesehen hat, als wäre ich in Ordnung, aber in Wahrheit ging es mir miserabel.« Baclofen hatte mich nicht nur aus dem biologischen Gefängnis der Abhängigkeit befreit, sondern auch von der lähmenden Angst, die ihr vorausgegangen war, und nun fühlte ich mich mit mir selbst und mit anderen wohl. Endlich war ich die Person, die ich immer schon hatte sein wollen.
    Am Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts sind viele Mechanismen der Abhängigkeit immer noch unbekannt. Aber die medizinische Wissenschaft hat große Teile des Puzzles zusammengesetzt, und allmählich nimmt ein umfassendes Verständnis der tödlichen Krankheit Gestalt an. Während Pharmafirmen erbittert darum kämpfen, eine wirksame Behandlung für Abhängigkeit zu finden und patentieren zu lassen, spricht die Evidenz dafür, dass hoch dosiertes Baclofen die besten Aussichten bietet.
    Nach der vierten Ausgabe des Diagnostischen Handbuchs der amerikanischen Psychiater-Vereinigung (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, DSM-IV) lässt sich eine Sucht oder Abhängigkeit von

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