Das Ende meiner Sucht
einer Substanz diagnostizieren, wenn innerhalb derletzten zwölf Monate mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt waren:
Toleranz gegenüber einer Substanz, sodass dieselbe Menge nicht mehr die gewünschte Wirkung hat und immer höhere Mengen erforderlich sind, um die entsprechende Wirkung zu erzeugen.
Entzugs-Dysphorie.
Kontrollverlust beim Substanzgebrauch, sodass der Gebrauch länger oder stärker ist als beabsichtigt.
Unmöglichkeit, den weiteren Gebrauch der Substanz einzuschränken.
Der Gebrauch der Substanz einschließlich Beschaffung und Entzug nimmt viel Zeit in Anspruch.
Der Substanzgebrauch wirkt sich auf die Aktivitäten des normalen Lebens aus.
Der Substanzgebrauch wird trotz Kenntnis der schwerwiegenden negativen Wirkungen fortgesetzt. 1
Die Tatsache, dass diese Symptome und Konsequenzen sich alle in der einen oder anderen Weise im Kopf und im Bewusstsein der abhängigen Person manifestieren, lässt natürlich hoffen oder erwarten, dass Abhängigkeit einem bewussten Einfluss oder einer bewussten Kontrolle unterliegt. Auf der einen Seite führt das zu moralischen Urteilen über abhängige Menschen, dass es ihnen an Charakter oder Willenskraft fehle oder dass sie eine spirituelle Erweckung bräuchten. Auf der anderen Seite weist es den Weg zu werturteilsfreien 12-Schritte-Programmen, Psychotherapie und Entzugskliniken, die das Ziel verfolgen, abhängige Menschen in ihrer Fähigkeit zu stärken, ihre schädlichen Verhaltensweisen anzuerkennen und zu verändern.
Die Suchttherapie auf der Grundlage von 12-Schritte-Programmen, Psychotherapie und Entzug in entsprechenden Einrichtungen ist seit Gründung der Anonymen Alkoholiker 1935 praktischunverändert geblieben. Bei so gut wie keiner anderen schweren Krankheit hat sich an der Behandlung in den letzten 70 und mehr Jahren so wenig geändert. Diese Form der Suchttherapie hat einer Minderheit geholfen, abstinent zu bleiben, aber nicht der großen Mehrheit.
Das ganz und gar nicht statische Feld der Neurobiologie hat sich in den letzten Jahrzehnten jedoch deutlich weiterentwickelt, und zwar in einer Weise, die größere Hoffnung für neue Behandlungswege eröffnet. Immer präziser konnte die Neurobiologie zeigen, wie Symptome und Folgen der Abhängigkeit auf molekularer Ebene durch Neurotransmission im Gehirn vermittelt werden, woran besonders die Neurotransmitter Dopamin, Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und Glutamat Anteil haben. Dopamin beispielsweise spielt eine Schlüsselrolle bei der Wahrnehmung von und der Erinnerung an angenehme Erlebnisse und hat deshalb sicher ganz wesentlich mit Abhängigkeit zu tun. Aber ein Neurotransmitter agiert immer zusammen mit oder in Opposition zu einem anderen, und an jeder Gehirnaktivität sind viele Neurotransmitter beteiligt, die möglicherweise in unterschiedlichen Kombinationen unterschiedliche Rollen spielen.
Die Rezeptoren für verschiedene Neurotransmitter reagieren direkt oder indirekt auf viele unterschiedliche Substanzen, die ihrerseits wiederum die Freisetzung der Neurotransmitter anregen oder hemmen. Schwellenreaktionen bedeuten, dass die Menge einer Substanz entscheidend dafür ist, dass sie einen bestimmten Effekt auf die Transmittersysteme hat. Zum Beispiel aktiviert Alkohol in geringer Dosierung hauptsächlich GABA A -Rezeptoren und stimuliert Gehirnregionen, die mit Denken, Streben nach Vergnügen und auch körperlicher Entspannung zu tun haben. Hohe Dosen aktivieren auch Rezeptoren für Glutamat und stören damit das Lernen und das Gedächtnis, wie es bei einem Blackout der Fall ist.
Zusammengenommen entscheiden die Funktionen und Merkmale von Neurotransmittern und Rezeptoren, wie wir physisch, emotional und mental auf unterschiedliche Substanzen undVerhaltensweisen reagieren. Unsere Reaktionen – Empfindungen, Stimmungen, Bilder und Gedanken – werden Teil des Prozesses und tragen zu ihrer eigenen Verbreitung bei, indem sie Feedback-Schleifen erzeugen und verstärken. So kann ein Ungleichgewicht, das übermäßig ängstliche oder deprimierte Gefühle erzeugt, durch die Intensität dieser Gefühle weiter verstärkt werden, sodass Ängstlichkeit oder Depression noch heftiger und noch häufiger auftreten.
Gleichzeitig unterliegt die aus dem Gleichgewicht geratene Neurotransmission genauso wenig wie jeder organische Krankheitsprozess bewusstem Einfluss und bewusster Kontrolle. Forschungen haben gezeigt, dass nicht nur bei allen Drogenabhängigkeiten sehr ähnliche Transmissionsmuster bestehen,
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