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Das Ende

Das Ende

Titel: Das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Alten
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dass wir es wagen könnten, den Plan des Schöpfers zu kritisieren? Du bist ein Mensch, der in seinem eigenen kleinen Mikrokosmos aus Raum und Zeit lebt, und dein ganzes Verständnis der Existenz basiert auf einer einzigen, bisher drei Dekaden umfassenden Lebensspanne, die du in der physischen Welt zugebracht hast. Dieses physische Universum aber stellt weniger dar als ein Prozent dessen, was wirklich da draußen ist.«
    »Diese Menschen waren unschuldig, Virgil! Sie wurden Opfer des entfesselten Bösen.«
    »Das entfesselte Böse, wie du es nennst, existiert schon lange. Aber nehmen wir mal an, ich stimme dir zu – welche Reaktion Gottes wäre denn angemessen gewesen? Eine weitere Sintflut? Oder vielleicht hätte Gott ja den erstgeborenen Sohn jeder deutschen Familie töten sollen, wie Er das in Ägypten getan hatte? Wie wäre es mit einem neuen Ausbruch der ägyptischen Plagen? Oder hattest du etwas mehr Feuer und durch die Luft fliegende Trümmer erwartet wie bei einer Atombombe? Nein, warte, die kam ja erst später, Gott sei Dank übrigens, denn wegen der Bombe ist die Welt jetzt sehr viel sicherer, nicht wahr? Der freie Wille, Patrick. Gott hat uns seine Gebote gegeben, doch wir allein entscheiden darüber, ob wir sie befolgen oder nicht. Oder gibt es zu den Worten Du sollst nicht töten eine Zusatzklausel, die
besagt, es geht schon in Ordnung, Hunderttausende Unschuldige umzubringen, wenn man die arabischen Ölfelder übernehmen will?«
    »Saddam war böse. Wir kamen als Befreier.«
    »Und von wem musstet ihr die amerikanischen Ureinwohner befreien, als eure Vorfahren das Land der Indianer gestohlen und ihre Stämme ausgelöscht haben? «
    Patrick wollte antworten, hielt jedoch einen Augenblick inne und dachte nach. »Gut, in dieser Sache hast du recht. Das haben wir ganz alleine zu verantworten, und ich bin genauso schuldig wie jeder andere auch.«
    »Ja, das bist du, wie jede lebende Seele, und solange du dein tikkun noch nicht abgeschlossen hast, wirst du in die physische Welt zurückkehren … vorausgesetzt, es gibt dann überhaupt noch etwas, wohin du zurückkehren kannst.«
    Die beiden erreichten die Spitze des Hügels und sahen die Grabsteine vor sich, die sich weit über den Trinity-Friedhof hinzogen. Jenseits des sich absenkenden Geländes im Osten lag der Broadway, eine der größten Verkehrsadern, vom Licht Hunderter Feuer erleuchtet.
    Virgil deutete hinüber. »Wir können dem Broadway bis zum Battery Park folgen, aber es ist gefährlich. Die Pest hat sich weiter ausgebreitet, und die Menschen sind voller Panik. Du musst den Impfstoff gut in deinem Mantel verstecken, oder für deine Frau und deine Tochter wird nichts mehr übrig sein. Patrick, hörst du mir überhaupt zu?«
    Patrick hörte nicht zu. Seine Blicke folgten dem rissigen Asphaltweg, der rechts von einer Reihe von Mausoleen und links von Grabsteinen gesäumt wurde.

    »Was ist?«
    »Ich glaube, ich habe ein größeres déjà vu .«
    »Du warst schon einmal hier?«
    »Ich glaube nicht. Aber plötzlich ist alles so kalt, als wäre ich in eine Kühltruhe geklettert. Oh nein … Er ist es.«
    Mitten auf dem Weg stand der Sensenmann und deutete mit seinem Knochenfinger auf einen Grabstein, auf dem sich die Skulptur eines engelgleichen Kindes befand.
    »Virgil, er ist hier.«
    »Der Todesengel? Wo?«
    »Kannst du ihn nicht sehen? Er steht direkt vor uns auf dem Weg. Er deutet auf ein Grab. Virgil, was soll ich tun?«
    »Komm ihm nicht zu nahe. Lass nicht zu, dass er dich berührt. Kannst du den Namen auf dem Grabstein lesen?«
    »Nein.«
    »Bist du sicher, dass du noch nie auf diesem Friedhof warst?«
    »Ja!«
    Der Sensenmann wiederholte seine Geste, diesmal noch nachdrücklicher als zuvor.
    Shep konnte die eisigen Tentakel des Todesengels spüren, die sich kristallisierend um sein Fleisch schlossen. Kalte Knochenfinger packten seine Kopfhaut und versuchten, sich in sein Gehirn zu bohren. Noch nie hatte er ein solches Entsetzen empfunden, nicht im Irak, nicht in seinen schlimmsten Albträumen.
    Die Angst wurde zu groß. Sie entfesselte Wellen der Panik, die das Blut in seinen Adern gerinnen ließen.
    Patrick Shepherd rannte.

    Nach vier Schritten lagen die Mausoleen hinter ihm, und er stürmte mitten durch ein Gräberlabyrinth den Hang hinab, wobei die Schneedecke jeden seiner Schritte zu einem Risiko machte. Seine kaputte Armprothese schwang unkontrolliert hin und her und kratzte über die Grabsteine. Jedes Mal, wenn das Metall gegen Stein

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