Das Ende
Sie waren die Kinder wohlhabender Eltern, die den besten Unterricht für ihre Kinder suchten. Zwölf Stunden zuvor war die Schule geschlossen worden.
Jetzt war es an David Kantor herauszufinden, ob irgendjemand überlebt hatte.
Nachdem der Armeemediziner das Treppenhaus im ehemaligen Gebäude der Bank of America betreten hatte, stieg er Stufe für Stufe hinauf. Schwer atmend erreichte er den Treppenabsatz im dritten Stock. Er versuchte, die Brandschutztür zu öffnen. Abgeschlossen. Er hämmerte mit dem Kolben seines Sturmgewehrs gegen den Stahlbügel. Keine Reaktion.
David trat einige Schritte zurück, richtete den Lauf auf das Schloss und gab einen Feuerstoß ab, der den Mechanismus zerfetzte. Er befürchtete das Schlimmste, als er die Tür aufriss und die dunklen Flure der Schule seiner Tochter betrat.
Lower East Side, Manhattan, New York
6:16 Uhr
Sie waren ohne Licht auf dem Bürgersteig gefahren und hatten die Markisen über den Schaufenstern zahlloser Geschäfte zerfetzt. Pankaj war den größeren Verkehrsadern ausgewichen, denn es erwies sich als leichter, sich durch die weniger verstopften Nebenstraßen nach Süden zu manövrieren.
Midtown East war besonders gefährlich, denn im Bereich des UN-Gebäudes war die Militärpräsenz noch immer hoch. Deshalb wich Pankaj nach Westen über die Park Avenue aus und durchquerte Murray Hill, bevor ihn der Weg wieder nach Südosten durch die ruhigen, älteren Viertel des Gramercy Park führte.
Als er das East Village erreichte, blieb ihm kaum etwas anderes übrig, als die im Süden liegende Bowery direkt anzusteuern.
Sofort begann der Kristall, den Manisha Patel um den Hals trug, zu vibrieren. »Nein, das ist der falsche Weg.«
»Was bleibt mir denn anderes übrig? Hinter den beiden Brücken staut sich meilenweit der Verkehr. Dort kann man nicht fahren.«
»Meine spirituelle Führerin sagt Nein. Such einen anderen Weg. Fahr durch Chinatown in Richtung Süden.«
Paolo und Francesca saßen auf der dritten Rückbank. Paolo tröstete seine schwangere Frau, die ihren Kopf in seinen Schoß gelegt hatte. Immer wieder zog sich ihr angeschwollener Bauch zusammen. »Dein Sohn spielt seiner Mutter schon übel mit.«
»Schau nur, wie er um sich tritt. Aus ihm wird mal ein großer Fußballer.«
»Er will raus, Paolo. Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen. Als wir im Park auf dich gewartet haben, ist meine Fruchtblase geplatzt.«
Überwältigt und zugleich vollkommen hilflos, konnte Paolo gerade noch genügend Kraft aufbringen, die Hand Francescas zu drücken. »Versuch durchzuhalten, mein Liebling. Es dauert nicht mehr lange, dann haben wir die Docks erreicht.«
Virgil saß auf der mittleren Bank neben Shep. Erschöpft war der alte Mann eingeschlafen. Er schnarchte leise vor sich hin.
Patrick Shepherd lehnte sich gegen die hintere Tür auf der Fahrerseite. Unaufhörlich hämmerte der Schmerz in seiner linken Schulter, doch das hielt ihn wenigstens wach. Mit schweren Lidern betrachtete er das indische Mädchen, das zwischen seinen Eltern vor ihm saß. Irgendwie wurde seine Seele von ihrer Aura angezogen.
Aufmerksam wie immer spürte sie, wie er sie ansah. »Hast du große Schmerzen?«
»Ich bin schon schlimmer verwundet worden.«
Das Mädchen löste den Gurt und drehte sich auf ihrem Sitz zu ihm um, sodass es ihm direkt ins Gesicht sehen konnte. »Gib mir deine Hand.« Sie lächelte, als er zögerte. »Ich verspreche, dass ich dir nicht wehtun werde.«
Er streckte seine rechte Hand aus, sodass sie sie mit ihren weichen, zierlichen Handflächen umschließen konnte. Sie tastete sein Fleisch ab und schloss die Augen. Ihre Fingerspitzen ruhten auf seinem Puls. »So rau. So viel Schmerz …«
»Ich war Soldat.«
»Das hier geht tiefer. Es ist ein Schmerz, der von einer früheren Reise stammt … vor langer Zeit. Eine schreckliche Untat … so viele Tote. Die Last drückt dich nieder.«
»Eine frühere Reise? Welche Art …«
»Aber da ist noch etwas … eine große Enttäuschung … die alles verschlingt. Deine eigenen Handlungen suchen dich heim.«
»Dawn!« Manisha drehte sich um. Sie lächelte entschuldigend. »Patrick, meine Tochter, sie ist noch so jung …«
»Nein, nein, schon in Ordnung.« Er sah das Mädchen an. »Dein Name ist Dawn?«
»Ja.«
»Du hast so hübsche braune Augen. Als ich dir im Central Park zum ersten Mal in die Augen sah, da … Na ja, spielt keine Rolle.«
»Sag’s mir.«
»Na ja, es ist nur so, dass deine Augen mich an
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