Das Engelsgrab
einfach aufmerksam werden mussten.
Bestimmte Farben waren nötig. Sie durften nicht zu grell und niemals zu dunkel sein. Sie mussten in den Tönen schimmern, die mit der Farbe einer Perlmuttmuschel zu vergleichen waren. Aus diesem Spektrum hatte Claudine ihre Kleidung ausgewählt.
Sehr zarte Farben. Ein weiches Rosa, ein leichtes, dahinfließendes Grün, ein angedeutetes Beige, das harmonierte zusammen. Zudem hatte sich die Frau auch an eine weitere Regel gehalten. Nur keine Kleidung überstreifen, die den Körper zu eng umspannte. Sie musste ihn umfließen und umschmeicheln, denn diese leichten Stoffe sollte auch der Wind greifen können, damit sich der Mensch als Teil einer großen Natur fühlte.
So angezogen, mussten die Engel einfach aufmerksam werden.
Besonders dann, wenn man sich auch innerlich mit ihnen beschäftigte und ihre Existenz nie leugnete.
Das war nicht alles. Wer sich als Mensch wirklich perfekt den Engeln zeigen wollte, der benötigte auch die entsprechenden Duftessenzen, um die Engel locken zu können.
Claudine wusste auch, dass die Engel bestimmte Düfte abgaben, wenn sie sich nahe bei den Menschen aufhielten. Sensible Personen nahmen sie wahr, denn diese Engel, auch wenn sie sich im Unsichtbaren aufhielten, wurden des öfteren vom Duft der Rose und des Jasmin begleitet. Das galt besonders für Schutzengel.
Düfte, die Engel anlockten, gab es viele. Man konnte seine Wohnung mit Blumen schmücken oder bestimmte Räucherstäbchen anzünden. Im Freien, so wie bei Claudine, eignete sich dafür am besten ein Parfüm.
Eine Mischung aus Flieder, Hyazinthe oder Geißblatt, denn durch diese Düfte waren das Glück der Seele und das Kommen eines himmlischen Botschafters so gut wie garantiert.
Das alles hatte Claudine Lanson im Laufe der Zeit herausgefunden und sich stets nach den Regeln gerichtet. Hinzu kam noch das positive Denken. Sie baute sich gewisse Vorstellungen auf, denn sie sah sich dann selbst von einem hellen Schein umgeben, der sie vor negativen Kräften schützte.
Das genau war ein Problem. Je tiefer sie in das Gebiet der Engel eingetaucht war, um so mehr hatte sie natürlich erfahren. Nicht nur positive Dinge, denn Claudine hatte herausgefunden, dass Engel nicht unbedingt nur gut und positiv sein mussten. Es gab auch andere.
Lange, sehr lange lag es zurück, als Luzifer versucht hatte, gottgleich zu werden. Er war dann zusammen mit zahlreichen Getreuen verstoßen worden. Hinein in die Finsternis, die ewig währte. In eine Hölle, in der sie schmoren sollten und in der es ihnen nie wieder gelang, einen Blick in das Licht zu werfen.
Aber es entstanden die Menschen. Und Menschen sind keine starken Götter. Menschen sind schwach, anfällig, was die Engel der Hölle sehr bald herausfanden. Luzifer scharte sie um sich. Er nannte sie auch Dämonen oder Kreaturen der Finsternis, denn er hatte seine große, schmachvolle Niederlage nicht vergessen.
Jemand wie er, der das absolut Böse in sich trug, musste sich einfach rächen. Es entsprach seinem Naturell, dass er sich dabei das schwächste Glied der Kette aussuchte. Das waren nun mal die Menschen mit all ihren Fehlern. So führten er und seine Getreuen sie immer wieder in Versuchung. Sie nutzten die Schwäche aus, und es waren nur wenige in der Lage, zu widerstehen. Viele wurden manipuliert. Das Böse drang in ihre Seelen ein und beherrschte sie. So schlugen sie sich oft gegenseitig tot. Manchmal hatte es auf der Erde so ausgesehen, als hätte die Hölle doch noch einen Triumph davongetragen.
Das alles war den Botschaftern des Lichts nicht verborgen geblieben.
Immer wieder hatten sie versucht, die Menschen auf den rechten Weg zu bringen. Sie hatten sie gewarnt, aber ihre Warnungen - oft verklausuliert - wurden überhört.
Die Engel verzweifelten. Sie wollten den Menschen Schutz geben, aber diese zeigten sich zu oft störrisch. So blieb den himmlischen Geistwesen nichts anderes übrig, als sich an die Kinder zu wenden, um sie vor dem Bösen zu schützen.
Kinder bekamen ihren Schutzengel. Aber auch Kinder waren gefährdet. Weniger durch Dämonen, als durch die normalen Menschen, die sich oft genug an ihnen vergangen hatten oder sie töteten.
Das konnte der düsteren Schar um Luzifer nur gefallen. Er wollte es noch schlimmer haben. Die Kinder sollten schutzloser werden, und deshalb blies er zum Angriff auf die Schutzengel. Sie mussten in seinen Augen vernichtet werden. Für diese Aufgabe hatte er sich einen besonderen Engel ausgesucht.
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