Das Erbe - Das Tal - Season 2 ; Bd. 2
Bewegung in die Gruppe. Eine hochbeinige Blondine, die Rose kaum kannte, erhob sich halb, dann steckte sie den Kopf mit Jenn zusammen, mit der Rose manchmal Mittag essen ging. Mrs Hill und Isabel, noch immer gedrängt in der Ecke sitzend, trösteten sich gegenseitig und Debbies Wimmern, das einige Minuten ausgesetzt hatte, begann von Neuem. Herrgott, Deb, dachte Rose entnervt, jetzt halt doch endlich einmal deinen Mund.
Inzwischen war Julia zurückgekehrt und versorgte die Wunde. Ihre Hände waren erstaunlich ruhig und sicher.
»Danke«, sagte Rose.
»Was sollen wir tun?«, flüsterte Julia.
Rose schüttelte den Kopf und legte den Zeigefinger an ihren Mund. Julia tauschte noch einen Blick mit ihr, ihre Augen funkelten. Eindeutig Überlebenswille, eine Entschiedenheit, die ihr Mut machte.
Sie nahm wieder ihren Platz neben Chris ein, der sich auf einen Stuhl hatte fallen lassen. Offenbar versuchte er verzweifelt, seiner Wut Herr zu werden.
Roses Blick flog über die Gruppe. Ein Teil von ihnen, es mochten zwölf oder dreizehn sein, drängte sich vor der Schrankwand aneinander. Wie eine Herde verschreckter Schafe. Körper an Körper. Doch diesmal nahmen einige der Studenten Blickkontakt mit ihr auf. Nikita. Taylor. Felicitas. Ein Bann schien gebrochen, so schien es Rose. Die Stimmung hatte sich verändert. Als seien sie näher aneinandergerückt.
Sie fühlte sich plötzlich unglaublich müde und erschöpft. Gleichzeitig fragte sie sich, ob man sich an so eine Lage gewöhnen konnte.
Sie hatte keine Zeit, diesem Gedanken zu folgen, denn jetzt rührte sich Tom. Er schob sich vom Pult und begann, im Raum auf und ab zu gehen. Als er in ihre Nähe kam, blieb er stehen, betrachtete sie lange. Sie versuchte, seinen Blick zu erwidern, aber als sie die Kälte in seinen Augen sah, musste sie erneut mit einem Anflug von Übelkeit kämpfen.
Seitlich von ihr erhob sich Chris, doch in diesem Moment fuhr Tom herum und richtete die Waffe auf ihn. Schweigend maßen sie sich mit Blicken. Dann kehrte Tom zu seinem Platz zurück.
»Nächste Regel.« Er dehnte die beiden Worte dabei unnatürlich in die Länge, als sei ihm gerade erst eingefallen, was er sagen wollte. »Ihr schreibt eure Namen auf einen Zettel, faltet ihn und …« Stirnrunzelnd sah er sich um, dann veränderte ein kurzes Lächeln sein Gesicht und er griff nach der Handtasche von Mrs Hill, die die ganze Zeit vorne auf dem Pult neben dem schwarzen Kasten gelegen hatte. Einige Sekunden lang hielt er sie einfach in die Höhe in einer Haltung, als sei dies Teil eines Experimentes.
»Die Handtasche von Frauen …« Wieder dieses kurze Auflachen. »Sie sind ein Mysterium. Schauen wir also, was unsere verehrte Mrs Hill … so mit sich herumschleppt.«
Er macht das absichtlich, dachte Rose. Er zieht es absichtlich in die Länge. Er lässt uns spüren, dass er Zeit hat und wir nicht. Er zeigt uns so seine Macht.
Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter.
Natürlich, er präsentiert sich selbst als Herrscher über Zeit … und Raum.
Tom öffnete den Reißverschluss und zog nacheinander die einzelnen Gegenstände heraus, demonstrierte sie ihnen, indem er sie in die Luft hielt und ihre Namen nannte. »Schlüssel, Geldbörse, Taschentücher, Lippenstift Marke Dior … aha, Kopfschmerztabletten und was haben wir denn da? Empfängnisverhütung? Ich dachte nicht, dass Sie das in Ihrem Alter noch brauchen?«
Er wollte sie alle mit diesem Satz provozieren. Doch niemand drehte sich zu Mrs Hills um, obwohl das Schluchzen aus der hintersten Ecke des Raums verriet, wie erniedrigt sie sich fühlte.
Schließlich kehrte Tom die Tasche nach unten und schüttelte sie betont langsam. Die Handtasche war leer. Rose bekam kaum Luft vor Anspannung.
»Ich wiederhole. Ihr schreibt eure Namen auf einen Zettel, faltet ihn und … die gefalteten Zettel tun wir hier hinein. Schließlich will ich gerecht sein.«
Niemand rührte sich. Niemand tat, was Tom verlangt hatte. Niemand gab einen Laut von sich. Alle schienen wie gebannt. Tom hatte es wieder geschafft, sie in diesen lähmenden Zustand von Angst zu versetzen, gerade, als einige von ihnen ein bisschen Mut geschöpft hatten.
Auf jede Stimmung im Raum hatte er eine Antwort.
Er hatte sie in der Hand, spielte mit ihnen wie mit Marionetten.
Ich könnte mich weigern, dachte Rose. Ich könnte die anderen dazu bringen, einfach nichts zu tun. Ich könnte nach vorne gehen und die Sachen aus Mrs Hills Tasche aufheben und sie ihr bringen. Ich
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