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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Gebiet und über den Rhein ins wunderschöne Avignon zu begeben.
    Der wie eine Festung angelegte Papstpalast war derzeit verwaist: Benedikt XIII. hatte die Stadt längst verlassen und war nach Perpignan, nahe seiner spanischen Heimat, umgezogen. Dorthin, nach Avignon, würde Johannes die ihm ergebenen Kardinäle und etliche der unentschlossenen übrigen Teilnehmer einladen, um dann das Konzil in seinem Sinne fortzuführen.
    Darin bestärkte ihn auch Herzog Friedrich IV. von Österreich, genannt »Friedel mit der leeren Tasche«, mit dem er sich während seiner Reise angefreundet und den er zu seinem Generalkapitän ernannt hatte. Beide Herren planten Vorbereitung und Durchführung der Aktion ganz im Geheimen und äußerst sorgfältig.
    Das glaubten sie zumindest. Aber das brisante Geheimnis blieb keineswegs unentdeckt, sondern wurde an König Sigismund verraten. Der Herrscher unternahm daher zu Johannes’ Entsetzen, der mitten in den Fluchtvorbereitungen steckte, einen unangekündigten »Freundschaftsbesuch« bei Seiner Heiligkeit.
    Magdalena, die sich zu dem Zeitpunkt gerade im Gemach Seiner Heiligkeit aufhielt, um ihm vor seiner Abreise noch gute Ratschläge wegen seiner angegriffenen Verdauung zu erteilen, erschrak, als sie der steinernen Miene des Königs gewahr wurde.
    Baldassare Cossa, der gerade noch Zeit gefunden hatte, sich samt Seidengewand und Pantoffeln ins Bett zu legen
und sich krank zu stellen, wies empört jeden Verdacht, er habe vor, sich unrühmlich aus dem Staub zu machen, als böswillige Unterstellung zurück.
    Sigismund gab vor, den Beteuerungen des Heiligen Vaters Glauben zu schenken. Die Apothekerin jedoch, die, mit einer Arzneiflasche in der Hand, am Bett des Papstes saß, ließ sich nicht täuschen. Sie tat zwar, was sie konnte, und bestätigte glaubhaft und wortreich den schlechten Zustand ihres Patienten.
    Aber kaum fühlte der König sich unbeobachtet, verfinsterte sich sein scheinbar besorgter Gesichtsausdruck, und seine Augen unter den weißblonden Brauen funkelten grimmig. Mit scheinheiligen Genesungswünschen zog Sigismund schließlich von dannen. Der Papst hatte mittlerweile unter den Daunendecken Blut und Wasser geschwitzt …
    Magdalena rechnete es ihm hoch an, dass er keinen Augenblick daran dachte, sie des Verrates zu bezichtigen. Im Gegenteil! Noch einmal versuchte der Papst, sie vom angenehmen sorgenfreien Leben in seiner unmittelbaren Nähe zu überzeugen. Vergeblich. Sie hatte ihre Entscheidung gefällt.
     
    Am nächsten Tag – es war der 20. März 1415 – hielt Herzog Friedrich IV. zur Ablenkung aller Zweifler ein Turnier ab, gab dann aber bekannt, wegen einer ernsten Bedrohung durch die Burgunder müsse er leider ins Elsass reiten, um nach dem Rechten zu sehen. Gegen Abend besuchte er mit auffällig großem Gefolge den »kranken« Papst, um sich von ihm zu verabschieden. Das Gewühl von Reitern, Knechten und Pferden ermöglichte es unterdessen Johannes’ Bediensteten, mit der päpstlichen Geldkassette unauffällig die Stadt zu verlassen.
    Erst gegen Mitternacht trat Herzog Friedrich wieder aus dem Hachberg’schen Palais nach draußen. Wie üblich folgte
dem Zug eine Menge von Gaffern. Trotz der späten Stunde tummelten sich neugierige Zuschauer auf den Gassen.
    Unter den herzoglichen Knappen befand sich auch ein mittelgroßer, dicker, bereits älterer Neapolitaner. Einzig Magdalena, die sich in der Nähe des Kreuzlinger Tores aufhielt, um ihrem hochgestellten Patienten ein stummes Lebewohl nachzusenden, erkannte in ihm Papst Johannes.
    Als er, das Reittier des Herzogs am Zügel führend, ganz dicht an ihr vorübermarschierte, zwinkerte er ihr zu – und nicht einmal heimlich. Er nutzte die Gelegenheit, sich demonstrativ vor ihr zu verbeugen, wobei er seine Kappe in narrenhafter Manier vom Kopf riss und bewundernd »Bella Donna!« ausrief. Die Umstehenden lachten und klatschten, während Magdalena vor Schreck schier in Ohnmacht fiel.
    Aber schon war der Zug an ihr vorüber, und in gestrecktem Galopp verließ die Kavalkade durch das Kreuzlinger Tor die Stadt. In Steckborn bestiegen die Herren mehrere Boote und ließen sich in die ehemalige Reichsstadt Schaffhausen rudern. Sie war inzwischen vom Reich an Habsburg verpfändet worden und somit im Besitz von »Friedel mit der leeren Tasche«.
    Der Papst war für den Augenblick in Sicherheit. Sobald die junge Frau davon erfuhr, wagte sie es, erleichtert aufzuatmen. Der Heilige Vater war doch ein Teufelskerl! Obwohl sie sich

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