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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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nachdenklich.
    »Ja, das könnte möglich sein. So viel Feingefühl hätte ich dem derben Mann gar nicht zugetraut! Wie er wohl alleine mit seiner Kinderschar zurechtkommt?«
    Magdalena graute vor der Heimkunft ihres Schutzbefohlenen. Dann dachte sie daran, dass sie ihm – den sie seit seiner Schlägerei vor dem Hurenhaus auch nicht mehr duzte – versprochen hatte, seine Ärmel zu verlängern. Sie griff nach ihrem Flickkorb.
    Betz war in letzter Zeit so stark gewachsen, dass ihm sämtliche Jacken- und Hemdsärmel viel zu kurz waren. Für neue Hosen und ein neues Wams hatte sich freundlicherweise Julius zuständig erklärt; ein Schneider sollte sie ihm anpassen.
    Während sie Stich für Stich die Kleider des Jungen ausbesserte, eine Arbeit, die sehr beruhigend auf sie wirkte, wollte ihr eine andere Sache nicht aus dem Kopf:
    Erneut war Papst Johannes auf seinen »Herzenswunsch« zu sprechen gekommen, sie als seine persönliche Heilerin
mitzunehmen. Und als ahne er ihre Bedenken, von ihm als Geliebte beansprucht zu werden, schwor er ihr hoch und heilig, nichts Unehrenhaftes im Sinn zu haben. Eine Anstellung als Leibapothekerin eines so hochgestellten Herrn bedeutete einen ungeheuren Aufstieg auf der sozialen Leiter. Die meisten Frauen hätten bedenkenlos zugegriffen. Außerdem würde sie sich auf diese Weise von den boshaften Versuchen des Frater Malachias, sie in Misskredit zu bringen, befreien können.
    Magdalena hatte Baldassare Cossa und seinen Charakter ziemlich gut kennengelernt. Er war überspannt, launisch, aufbrausend, maßlos und unverschämt, gleichzeitig bisweilen hinterhältig, feige und verschlagen. Seine Diener fürchteten ihn. Nur auf seinen Vorteil bedacht, war er sicher bereit, über Leichen zu gehen. Und dennoch! Er besaß auch eine andere Seite. Sie hatte ihn als nachdenklich, bescheiden, ja, demütig erlebt. Er kannte das Gefühl der Dankbarkeit – und er besaß Humor! Mehr als einmal hatte Magdalena bei ihm sogar Anzeichen einer gewissen Kindlichkeit entdeckt, die der alte Seeräuber sich anscheinend noch bewahrt hatte.
    »Wer weiß, was er als Knabe alles erleben musste?«, dachte sie und sah ihn vor sich, leidend und schwach. Längst vermochte er bei den üblichen Fressereien und Saufgelagen nicht mehr recht mitzuhalten. Seine Leber und sein Magen waren in der Tat angegriffen und bedurften der Schonung. Dass er nicht ständig über die Stränge schlug und sich damit selbst schadete, führte der Papst nur auf ihren Einfluss zurück. Aber hin und wieder konnte er einfach nicht anders, als sich gehenzulassen.
    »Ihr müsst einfach mit mir kommen und bei mir bleiben! Ich brauche Euch für meine Gesundheit! Ohne Euer einfühlsames
Zureden und Eure strengen Ermahnungen werde ich schnell alle guten Vorsätze über Bord werfen und bald sterben«, hatte er ihr erst neulich anvertraut.
    Das mochte zwar maßlos übertrieben sein – der Papst war insgesamt noch immer von robuster Natur, und seine Leiden mochten vor allem auf die Aufregung zurückzuführen sein –, aber ein Quäntchen Wahrheit lag mit Sicherheit darin.
    Die junge Frau wusste, dass ihr die Entscheidung niemand abnehmen konnte. Selbst mit Julius konnte sie sich in dieser Angelegenheit nicht besprechen, die wahrscheinliche Reaktion des besonnenen Mannes, der wahrlich kein Freund des Heiligen Vaters war, sah sie fast vor sich: Bestimmt wäre er entgeistert und enttäuscht, dass sie so etwas überhaupt nur in Erwägung zog.
    Seufzend ließ Magdalena ihre Flickarbeit sinken. Wie kam sie auch dazu, tatsächlich zu überlegen, den Vorschlag des Papstes anzunehmen? Eine solche Stellung passte nicht zu ihr und außerdem: Sie hatte sich einst geschworen, nie mehr der Spielball männlicher Launen und Gelüste zu sein – und damit war der Fall wohl entschieden. Vermutlich war sie in letzter Zeit nur ein wenig müde und erschöpft durch die dauernden Angriffe, denen sie sich in der Klosterapotheke ausgesetzt sah. Zwar wurden ihre Kräuterpräparate offenbar nicht mehr verunreinigt, seit Betz ein strenges Auge auf den vermeintlichen »Giftmischer« hatte, doch die Verleumdung ihrer Kompetenz und die Sticheleien hatten nicht aufgehört.
    Bisher hatte Magdalena davon Abstand genommen, sich bei Frater Gregor zu beschweren. Aber über kurz oder lang würde sie zu diesem Mittel greifen müssen.

KAPITEL 35
    DIE EREIGNISSE DER letzten Wochen hatten Johannes XXIII. klargemacht, wie gefährdet seine Lage war. Er beschloss, sich über vorderösterreichisches

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