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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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unterhalb des Nabels seitlich rechts aufsetzte, stöhnte der Kranke trotz seiner Ohnmacht auf.
    »Um Himmelswillen, das bedeutet nichts Gutes«, dachte die junge Frau verzagt. Sie wusste, dass dort der Sitz des sogenannten Blinddarms war, eines kleinen wurmartigen Darmfortsatzes, der zu nichts nütze war, jedoch zu Entzündungen neigte.
    Sie wusste außerdem: Falls diese Entzündung, die im Volksmund die »Seitenkrankheit« hieß, nicht von selbst zurückging, sondern zu eitern begann, war der Patient unweigerlich verloren. Der sich vermehrende Eiter ließ den Blinddarm platzen und ergoss sich in die Bauchhöhle, wo er eine Verunreinigung und Wundbrand im Körper – und damit einen elenden Tod – verursachte.
    »So tut doch endlich etwas, Jungfer Apothekerin!«
    Magdalena erwachte aus ihrer Erstarrung und musterte erschrocken den Mann im schwarzen Talar, der auf einmal neben ihr stand.
    »Meine Tees und Salben sind hier vergebens«, flüsterte sie, um den Patienten nicht zu wecken. Am besten, er verweilte in seiner Ohnmacht – dann spürte er wenigstens nichts von den entsetzlichen Schmerzen, die ein Blinddarmdurchbruch verursachte.
    »Was wollt Ihr damit sagen, Jungfer? Wenn Ihr unfähig seid, meinem Herrn zu helfen, dann schafft uns wenigstens einen Medicus herbei, der mehr von diesen Dingen versteht! Und zwar schnell, wenn’s beliebt!«

    Die Stimme des noch jungen Kaplans klang zornig und besorgt zugleich. Magdalena straffte sich und sah dem Mann – offenbar der Sekretär des Monsignore – offen ins Gesicht.
    »Ich verstehe immerhin so viel von dieser Erkrankung, dass ich Euch sagen kann, dass kein Arzt – und auch kein Chirurg oder Bader – Eurem Herrn helfen kann. Dazu müsste man den Leib des Monsignore öffnen und den vereiterten Blinddarm entfernen. Das bedeutet einen Eingriff, den kein Arzt wagen wird. Aber selbstverständlich werde ich einen Medicus holen! Vielleicht – und beinahe hoffe ich es – irre ich mich, und Euer Herr leidet an etwas gänzlich anderem. Ich bin in Kürze wieder da und bringe Euch Doktor Schwälble mit.«
    Damit drehte Magdalena sich um, verließ das Schlafgemach und eilte die Treppe hinab, hinaus auf die Straße, um den Genannten in der Seestraße zu alarmieren. Schwälble besaß in Konstanz einen ausgezeichneten Ruf und arbeitete bestens mit der Apotheke der Franziskaner zusammen.
    »Lieber Herrgott, lass den Doktor zu Hause sein! Und gib, Heilige Muttergottes, dass ich mich täusche und es doch nicht das ist, wofür ich es halte«, betete sie halblaut vor sich hin, ohne sich um die erstaunten Mienen der Passanten zu kümmern, welche die stadtbekannte Apothekerin noch nie so gesehen hatten: Einerseits aufgeregt und andererseits wie erstarrt und unter Schock. Und Selbstgespräche führte sie im Allgemeinen auch keine …
     
    »Die Verantwortung meines Berufes verlangt, dass ich mich absichere, wenn ich Zweifel habe, Doktor Schwälble. Bitte kommt mit mir und seht Euch den Patienten an! Womöglich befinde ich mich im Irrtum und dem Mann könnte doch geholfen werden. Ich würde mir ein diesbezügliches Versäumnis nie verzeihen!«

    »Das ist sehr löblich von Euch, Jungfer Magdalena«, gab der Arzt zur Antwort, packte seine Tasche und lief der jungen Frau hinterher. Schnaufend und ordentlich schwitzend kam Schwälble, der mit der Apothekerin kaum Schritt zu halten vermochte, beim Grauen Wolf an. Bereits beim Erklimmen der Stiege hörten sie das qualvolle Jammern des Kranken.
    Der Monsignore hatte sein Bewusstsein längst wiedererlangt und litt unsägliche Schmerzen. Die Untersuchung des Doktors war äußerst kurz. Die Sachlage war eindeutig. »Sorgt dafür, dass der Patient noch beichtet und die Sterbesakramente empfängt«, empfahl Schwälble dem fassungslosen Sekretär und den drei Dienern des Geistlichen. »Da ist jede ärztliche Kunst vergebens. Die Apothekerin hatte leider Recht.«
    »Ist denn wirklich gar keine Rettung mehr möglich?« Der Kaplan schien untröstlich. Schwälble und Magdalena schüttelten traurig die Köpfe.
    »Wir werden ihm ein Medikament verabreichen, das seine Schmerzen dämpft. Nach der Beichte soll Frau Magdalena das wiederholen. So wird der Patient einschlafen und dabei in den Tod hinüberdämmern. Es tut mir leid, aber mehr kann niemand mehr für ihn tun.«
    Solche Momente waren es, die Magdalena schier verzweifeln ließen. Warum war es den Ärzten nicht möglich, auch im Körperinneren der Patienten nach dem Rechten zu sehen? Bereits ihr

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