Das Erbe der Apothekerin - Roman
und das Schreibpult bezeugten, bat der Notar seine Verwandte ungewöhnlich förmlich, an einem kleinen Tisch Platz zu nehmen. Das Gefühl drohender Gefahr verstärkte sich in Magdalenas Innerem. Als sie ihm gegenübersaß, blickte sie ihm fest in die Augen.
»Ich spüre, dass es etwas sehr Ernstes ist, was wir zu bereden haben, Vetter. Schone mich nicht und sprich frei weg.«
Zängle holte tief Atem, dann begann er: »Es ist möglich, Lena, dass du von heute auf morgen von hier verschwinden musst! Dir droht ernstliche Gefahr, und wir müssen uns schnellstens einen Ort überlegen, an dem du Zuflucht suchen kannst, sollte es dazu kommen, dass man dir wegen Hexerei den Prozess machen will.«
Magdalena wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Leichenblass stammelte sie nur: »Was … wie bitte? Wie kommst du darauf, Vetter? Das ist doch wohl ein Scherz!«
»Leider nein, Lena. Du musst im Kloster einen Feind haben, der dich seit längerem bei den Mönchen und in der Stadt als Zauberin, die Hexenkünste anwendet, verleumdet.«
»Das kann nur Bruder Malachias sein!«, entfuhr es der jungen Apothekerin. »Er steckt voller Missgunst und versuchte schon vor einiger Zeit, mich beim Prior und bei Frater Gregor missliebig zu machen. Allerdings wurde er vom Prior streng zurechtgewiesen und sogar bestraft.«
»Offenbar hat ihn das nur noch wütender gemacht. Denn
hinterrücks muss er böse Gerüchte über dich ausgestreut haben – auch was deinen Lebenswandel anlangt, den du angeblich vor deiner Ankunft in Konstanz geführt hast.«
»Als ob der gemeine Mensch darüber etwas wüsste!« Magdalena lief vor Zorn rot an. »Ich habe mir nichts vorzuwerfen! Das schwöre ich, Julius! Und was den Vorwurf der Hexerei angeht, so kann ich nur sagen, dass …«
»Halt, meine Liebe! Du brauchst dich vor mir nicht zu verteidigen und erst recht nicht zu rechtfertigen. Ich weiß, dass alles Lug und Trug ist und nur dem Zwecke dient, dich unschädlich zu machen. Warum hasst dich dieser Frater eigentlich so?«
»Er verabscheut Frauen überhaupt! Und dass ich in der Klosterapotheke mit den Brüdern zusammenarbeite, ist ihm seit langem ein Dorn im Auge. Wenn es nach ihm ginge, sollten sich alle weiblichen Wesen – die er allesamt als sündig, verlogen, den Männern schädlich und als maßlos dumm erachtet – überhaupt nicht auf die Straße wagen!
Dass eine Frau in der Öffentlichkeit eine Rolle spielt, erscheint ihm als grobe Verletzung der göttlichen Ordnung. Er neidet mir meine Popularität. Am meisten aber hat ihn erbittert, dass der Prior mir erlaubte, den Bismutum-Versuch an Frater Gregor vorzunehmen.«
»Als dieser Versuch dann noch glückte und du auch andere Kranke damit heilen konntest, war das Maß für ihn anscheinend voll. Er behauptet, dass du das nur mit Hilfe des Teufels geschafft haben kannst: Gregor war doch schon so gut wie tot.«
»Oh, Julius! Was soll ich nur machen?« Verzweifelt rang Magdalena die Hände. »Hätte ich doch nur die Finger von diesem Mineral gelassen! Dabei ist es ähnlich in seiner Wirkung wie der grüne Malachit, den jeder Quacksalber
als Brechmittel gegen Koliken verordnet. Da spricht kein Mensch von Hexenwerk! Nach Ravensburg kann ich auf jeden Fall nicht; Mauritz würde mich sofort und mit Freuden den Schergen ausliefern. Dann wäre er mich endgültig los und damit die Sorge, dass ich ihm irgendwann die Apotheke streitig mache.«
»Beruhige dich, Lena!«, unterbrach sie sanft ihr Vetter. »Wir finden eine Lösung, das verspreche ich dir! Lass uns jetzt überlegen, wo du am besten aufgehoben wärest, bis der Sturm sich gelegt hat.«
In Wahrheit hatte Julius Zängle bereits einen Plan, seine Base vor einer drohenden Festnahme zu beschützen. Zum Glück besaß er Verbindungen zu einflussreichen Personen, denen er früher aus der Patsche geholfen hatte und die ihm noch einen Gefallen schuldeten. Ihnen verdankte er auch die frühzeitige Warnung.
Es war nicht schwer für ihn, Magdalena von seiner Idee zu überzeugen. Nicht einmal Betz und Berta erfuhren, wo die Apothekerin sich wirklich aufhielt, die noch in derselben Nacht das Haus verließ. Bei den Franziskanern ließ Zängle glaubhaft verbreiten, seine Base habe sich umgehend zu einer entfernt verwandten und plötzlich schwer erkrankten Muhme im Markgräfler Land, südlich von Freiburg, begeben müssen, um die alte Dame zu pflegen.
Anschließend ging der Notar sofort daran, Magdalenas Gegner – neben Malachias gab es noch andere –
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