Das Erbe der Apothekerin - Roman
aufzuspüren und sie ihrerseits anzuklagen, eine Unschuldige böswillig zu verleumden. Er drängte darauf, diese Personen umgehend in Haft zu nehmen, wo er sie aufs Schärfste verhörte. Sollten sie an ihren Lügen festhalten, drohte er ihnen empfindliche juristische Konsequenzen an. Er hatte sich vorsorglich
über »die Leichen in ihren Kellern« informiert – und erreichte damit in Kürze, dass alle kleinlaut gestanden, nur auf Verlangen des Franziskaners Malachias so gehandelt zu haben. Keiner von ihnen wollte es riskieren, dass die Justiz sich mit seinen Angelegenheiten allzu genau befasste …
»Er hat mir mit dem ewigen Höllenfeuer gedroht, wenn ich nicht sage, was er will«, offenbarte ein reicher Kaufherr, dessen Tochter Magdalena vor kurzem von einem eitrigen Ausschlag im Gesicht – verursacht durch einen Insektenstich – geheilt hatte.
Übrigens genau mit dem angeblichen »Teufelspulver« Bismutum, das sich – in stärkster Verdünnung mit Alkohol als Kompresse verwendet – als wahres Allheilmittel gegen nässende Wunden erwies.
»Wie konntet Ihr, ein normalerweise vernünftiger, gebildeter und dummem Aberglauben abholder Mensch, glauben, dass meine Verwandte unerlaubte Mittel verwendet? «, stellte Zängle den kleinlauten Kaufmann wegen seiner Falschaussage zur Rede. »Sie versteht eben – im Unterschied zu manch anderem sogenannten Heilkundigen – ihr Handwerk. Dieses Mineral, genannt Bismutum oder kurz Bismut oder auch Wismut, das man inzwischen an vielen Stellen in Deutschland und anderswo abbaut, ist genauso ein Geschenk des lieben Gottes wie es beispielsweise das Steinsalz ist, das jedes Lebewesen benötigt, oder der lilafarbige Amethyst, ein Glücksbringer, der seinen Träger unter anderem vor Zauberei, Heimweh und Trunkenheit schützt.«
Die lächerliche Anschuldigung gegen Magdalena fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen, bevor auch nur ein lautes Wort über eine Anklage der Apothekerin gefallen war.
Der einzige, der am Ende schlecht dastand, war Frater Malachias, der stur dabei blieb, die junge Frau verstünde
sich auf Hexenkünste. Der Prior der Franziskaner zwang ihn zu einer öffentlichen Entschuldigung bei Magdalena – in Anwesenheit von vier angesehenen Zeugen – und ließ ihn in ein anderes Kloster nach München versetzen. In Konstanz wollte er ihn nicht mehr sehen.
»Wo seid Ihr denn die ganzen zwei Wochen über gewesen? Jetzt könnt Ihr es mir doch verraten«, insistierte Betz, der vor lauter Freude seine Zurückhaltung vergaß und seine verehrte Lena in die Arme schloss und kräftig drückte. Diese war überaus gerührt und überspielte ihre Verlegenheit mit einem kleinen Lachen.
»Ganz in Eurer Nähe, Betz! Ich habe Konstanz keinen einzigen Augenblick lang verlassen. Meinem Vetter dünkte dies das Beste: Sich bei Gefahr in der Höhle des Löwen zu verstecken, ist das Klügste, was man tun kann. Da vermutet dich der Feind nicht. Er hatte recht damit.«
Magdalena konnte eigentlich zufrieden sein. Ihr Ruf erstrahlte wieder makellos wie eh und je, ihr Feind Malachias war fort – und dennoch gab der Vorfall ihr sehr zu denken. Wie leicht geriet man in ein schiefes Licht und wie einfach war es Neidern, einem etwas anzuhängen, besonders, wenn man eine alleinstehende und aus diesem Grund nicht sehr einflussreiche Frau war. Ehe man es sich versah, hatte man eine Anklage am Hals und wurde der Hexerei bezichtigt.
In Zukunft würde sie bei der Krankenbehandlung noch wachsamer sein müssen. Sie würde sich in jedem auch nur geringfügig heikel erscheinenden Fall absichern, und zwar durch Hinzuziehung einer kirchlich anerkannten Autorität.
»Lasst Euch das auch geraten sein, Betz!«, empfahl sie besorgt dem Apothekersgehilfen, als sie ihm ihre Gedanken mitteilte. »Auch Ihr habt sicherlich keine Lust, mit einem
Bein im Gefängnis zu stehen – oder gar Schlimmeres in Aussicht zu haben.«
»Weiß Gott nicht, Frau Lena! Die Scheiterhaufen brennen schnell in Konstanz.« Der junge Bursche schüttelte sich und drückte noch einmal ganz fest Lenas Hand, ehe er zu seiner Arbeit zurückkehrte.
Magdalena war nur erleichtert, dass sie noch einmal mit dem Schrecken davongekommen war. Als sie abends zu einem Feierabendbier mit ihrem Vetter beisammensaß, gestand dieser ihr, dass er sich doch größere Sorgen gemacht hatte, als er es ihr je gestanden hätte. Mit ernstem Gesichtsausdruck legte auch er ihr ans Herz, künftig mit äußerster Umsicht vorzugehen, sollte sie jemals wieder
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