Das Erbe der Apothekerin - Roman
sie es denn in Gottes Namen wagen! Ihr aber«, er wandte sich an die Brüder des Konvents, »geht in die Kapelle und betet für ein gutes Gelingen! Der Herr segne Euch.«
»Amen.«
Die Mönche – unter ihnen auch Malachias – taten, wie ihnen geheißen. Der Leiter des Klosters jedoch machte sich eilends auf zur Zelle des Apothekers. Er wollte sich Magdalenas Versuch nicht entgehen lassen.
Bereits einige Stunden nach Verabreichung einer winzigen Dosis des schwefelgelben Pulvers zeigten sich erste Anzeichen einer heilsamen Wirkung. Der Zwang zu erbrechen und die Übelkeit ließen deutlich nach.
Ja, Bruder Gregor verspürte sogar so etwas wie Appetit. Natürlich erhielt er vorsorglich nur dünnen, leicht gesalzenen Haferschleim. Als er diesen, genau wie den schwach aufgebrühten schwarzen Tee, bei sich behielt, waren alle im Kloster überzeugt davon, dass sich ihr Mitbruder auf dem Wege der Besserung befand.
»Sogar der Drang, mich ständig zu entleeren – auch wenn längst nur noch Wasser kommt – ist verschwunden«, freute sich Gregor, der bereits ein wenig Farbe im Gesicht zeigte und eine Weile im Bett aufrecht sitzen konnte.
»Der Herrgott will mich offensichtlich doch noch nicht.«
Die Stimme des Fraters klang noch ein bisschen schwach, aber er schmunzelte. Magdalena, die über Stunden an Gregors Krankenlager, das viele schon für sein Totenbett hielten, ausgeharrt hatte, war überglücklich.
»Jetzt werde ich sofort anfangen, dieses Bismutum-Pulver auch für die übrigen von der Seuche befallenen Brüder herzustellen. Was bei Euch so vortrefflich angeschlagen hat, wird auch andere Kranke heilen.« Die Erleichterung stand auch ihr ins Gesicht geschrieben. Vorsichtig umfasste sie die noch etwas zittrige und kühle Hand des Ordensbruders.
»Ja, tut das, meine Liebe«, ermunterte Gregor sie. »Ihr
habt da etwas Neues gewagt – und Ihr wart erfolgreich damit. Viele an Magen- und Darmproblemen Leidende werden in Zukunft davon profitieren.«
KAPITEL 38
WÄHREND DIE MENSCHEN in Konstanz der Apothekerin des Franziskanerklosters von Herzen dankbar waren, ging ihr Vetter Julius Zängle nicht gerade angenehmen Zeiten entgegen. Zu den üblichen Beschwerden über schlechte Quartiere und zu hohe Preise gesellten sich jetzt die Klagen über zu wenige und vollkommen unzureichende Abtritte, Senkgruben und »Geheime Gemächer«.
Da aller Unrat nach alter Gewohnheit ohnehin in den See geleitet wurde, waren neuerdings die Ufer desselben bedeckt von einer stinkenden braunen Brühe, die einen breiten Schmutzrand bildete. Der verunreinigte Boden reichte etwa zehn Meter weit ins Land hinein. Die Fischer hatte der Notar Zängle bereits streng angewiesen, ja keine Reusen am Rande des Sees anzubringen.
Eines Tages verlor der sonst so ruhige und geduldige Mann die Nerven, als ihn ein Graf aus der Gefolgschaft König Sigismunds vor dem Münster mit einem gereimten Spruch vor den versammelten Herren lächerlich zu machen versuchte.
»Himmelherrgott noch mal! Mich stört der bestialische Gestank in den Häusern und Gassen genauso! Aber soll ich jetzt vielleicht auch noch schnell neue Scheißhäuser aus dem Boden stampfen?«, rief Zängle wütend aus und wurde dann knallrot, als die Zuhörer in schallendes Gelächter ausbrachen.
Selbst König Sigismund verzog seinen kleinen, sinnlichen Mund mit den purpurfarbenen Lippen zu einem amüsierten Grinsen.
»Mein lieber Graf, treibt es mit Eurer Kritik nicht zu weit! Der Doktor Zängle könnte sonst ungnädig werden und fürderhin seine Mitarbeit beim Konzil verweigern. Und das könnte uns allen übel bekommen«, rügte er leise den spottlustigen Edelmann. Aber der Herrscher lächelte dabei und bezeugte damit, dass der Betreffende hoch in seiner königlichen Gunst stand.
Wie dem Übel beizukommen wäre, dafür hatten der Schultheiß und der Rat der Stadt zu sorgen. Julius Zängle war durchaus bereit, mit Ratschlägen zu einer vernünftigen Lösung beizutragen.
So unversehens wie die Seuche gekommen war, verschwand sie auch wieder. Etlichen hatte sie das Leben gekostet, vor allem Alten, anderweitig Kranken und vielen kleinen Kindern. Magdalena atmete auf – und ahnte freilich nicht, dass ihr Ungemach von einer ganz anderen Seite drohte: Malachias hatte die Demütigung, die er durch sie erfahren hatte, nicht vergessen. Im Geheimen scharte er seine Anhänger um sich, um zu einem letzten, vernichtenden Schlag gegen die ihm so verhasste junge Frau auszuholen.
Die Apothekerin
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