Das Erbe der Apothekerin - Roman
Lüge die Hochzeit seines Mündels hintertrieben hatte. Die den Ton angebenden Mitglieder der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft verachteten ihn dementsprechend. Im Gasthaus Zum Esel ließ er sich jedenfalls nie mehr blicken …
Natürlich besuchte die junge Frau auch ihre Apotheke. Vorsichtshalber näherte sie sich langsam von der anderen Seite der Gasse her und kontrollierte erst einmal, ob ihr verhasster Onkel nicht in der Apotheke war – was allerdings eher als unwahrscheinlich gelten durfte, zeigte er sich dort doch kaum noch.
Was Magdalena über Wenz Traugott, den kompetenten Stellvertreter ihres Vormunds herausfand, gefiel ihr ausnehmend gut.
»Ich danke Euch sehr, dass Ihr das Arzneimittelgeschäft für mich so vortrefflich besorgt, Herr Wendelin!«, wandte sie sich direkt an ihn, sobald sie eingetreten war.
»Es soll Euer Schaden nicht sein, denn irgendwann werde ich zurückkehren und mein Eigentum in Besitz nehmen. Ich denke, dass ich Euch behalten werde! Wie ich hörte, ist die Ausweitung des Geschäfts und die Vergrößerung des Kundenstamms nur Euch zu verdanken, während sich mein Oheim überhaupt nicht darum kümmert. Vielleicht ist das auch besser so!«
Zu Letzterem äußerte sich der kluge junge Apotheker lieber nicht. Aber an seinem zufriedenen Gesicht konnte sie ablesen, dass er mit ihr als Herrin um einiges lieber zusammenarbeiten würde als mit dem ahnungslosen einstigen Dreckapotheker.
Der Besuch im Hause Grießhaber, wo sie auch dieses Mal nur Konrads Vater Albrecht antraf, verlief im Vergleich zum letzten Mal ganz anders. Lange hatte Magdalena mit sich gerungen, ob sie diesen schweren Gang überhaupt auf sich nehmen sollte. Dann aber befürchtete sie, dass sich ihr Aufenthalt in Ravensburg inzwischen herumgesprochen haben könnte – und sie wollte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als ob es ihr an Mut fehlte, den Grießhabers einen Anstandsbesuch abzustatten. Das Herz klopfte ihr dennoch gewaltig, und fast war sie erleichtert, dass Konrad abwesend war.
Der alte Kaufmann war sehr angetan von der einnehmenden Erscheinung und dem selbstbewussten Auftreten seiner schönen Beinahe-Schwiegertochter.
»Mein Sohn Konrad befindet sich leider wieder einmal auf einer Geschäftsreise«, bedauerte er. »Er ist auch dieses Mal zusammen mit seiner Ehefrau Renata aufgebrochen. Sie werden mit dem Handelszug Mailand wohl schon erreicht haben.«
Er fügte die Hoffnung hinzu, die Fahrt möge dieses Mal ohne Erkrankung Renatas verlaufen. »Das hat uns damals viel Zeit gekostet – und auch unseren Geschäften Abbruch getan; obwohl unser Freund Humpiß sein Möglichstes tat, um Schaden von unserem Haus abzuwenden. Aber es versteht sich von selbst, dass nur der Eigentümer seine Ware zu den besten Konditionen los wird und beim Einkauf die günstigsten Preise herauszuschlagen in der Lage ist.«
Magdalena äußerte ihre Anteilnahme – und merkte zu ihrer eigenen nicht geringen Verblüffung, dass sogar ihre Nachfrage nach Renatas Gesundheit durchaus ehrlich gemeint war.
Albrecht Grießhaber musterte sie einen Augenblick lang erstaunt, ehe er antwortete: »Meine Schwiegertochter hat sich gut erholt. Die Ehe mit meinem Sohn scheint ihr nicht schlecht zu bekommen – nur leider will sich immer noch kein Nachwuchs einstellen.«
Der ältere Mann schüttelte traurig sein Haupt mit dem grauen Haarschopf. Seine Besucherin war sich bewusst, wie dringend ein Handelsunternehmen wie das Grießhaber’sche auf einen männlichen Nachkommen angewiesen war. Wer sollte einst das Unternehmen mit seinen weltweiten Verflechtungen übernehmen, falls Konrad tatsächlich der letzte in der Geschlechterreihe sein sollte?
Ihr lag bereits auf der Zunge, laut die Ursache bei dem zu suchen, der ihr im Augenblick gegenübersaß: Immerhin hatte er, Albrecht Grießhaber, seinem Sohn eine Gefährtin ausgewählt, die bereits die besten Jahre ihres Frauenlebens hinter sich hatte. Die fruchtbare Zeit war nun einmal begrenzt …
Aber Magdalena war ja in bester Absicht hergekommen und zeigte sich daher bestrebt, das heikle Thema zu wechseln.
Sie fragte stattdessen ausführlich nach den Lieferungen von Heilpflanzen und Würzkräutern, von feinen Ölen und Duftstoffen, sowie von Wurzeln und Steinen, denen man Arzneikräfte zuschrieb.
Darüber ließ der alte Kaufherr sich gerne und weitschweifig aus. Er schalt dabei deutlich ihren Oheim Mauritz, der am liebsten überhaupt nichts in Auftrag gegeben hätte.
»Nach der Meinung
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