Das Erbe der Apothekerin - Roman
dieses Ignoranten sind das alles Dinge, die ein anständiger Apotheker gar nicht braucht. Nach seinem Dafürhalten reichen Mäusekot, Uhugewölle und gerade noch Kamillentee als Heilmittel; und mehr als heimischen Veilchenduft braucht eine anständige Dame seiner Ansicht nach auch nicht. Nur seinem Stellvertreter, dem energischen und verständigen Wendelin Traugott, ist es zuzuschreiben, wenn Konrad dieses Mal auch eine kleine Lieferung für die Scheitlin’sche Apotheke aus Italien mitbringt.«
Magdalena war empört über so viel Unverstand, befürchtete sie doch, ihr Vormund könnte das blühende Unternehmen, welches ihr Vater aufgebaut hatte, in Kürze ruinieren. »Am Ende schafft er es noch, dass Ravensburgs Ratsherren ihm die Stadtapotheke wegnehmen und einem anderen, Fähigeren übergeben!«
»Das wird nicht geschehen«, beruhigte sie Albrecht Grießhaber sofort. »Jodok Finsterwald, unser Schultheiß, hat Eurem Oheim neulich das Versprechen abgenommen, sich in die Arbeit Traugotts nicht mehr einzumischen. Nur noch dem Namen nach fungiert Euer Vormund als vorläufiger Eigentümer – bis die rechtmäßige Erbin eintrifft. Und das seid doch wohl Ihr, Jungfer Magdalena.«
Magdalena fiel ein Stein vom Herzen, als sie das hörte. Sie beabsichtigte, in den nächsten Tagen Oheim Mauritz, der sich in ihrem Geburtshaus breitgemacht hatte, aufzusuchen.
»Wie die Made im Speck lebt er in deinem Eigentum«, wusste sie von Muhme Trude, die den dummdreisten Verwandten regelrecht verabscheute. Magdalena, die nach dem, was sie soeben vernommen hatte, den Vormund nicht mehr fürchtete, nahm sich vor, ihm ordentlich die Meinung zu sagen.
Als sie wenige Tage später ihr Vorhaben in die Tat umsetzte und in ihrem Elternhaus eintraf, war Mauritz Scheitlin wieder einmal unterwegs in einer der verrufenen Kneipen am Rande der Altstadt. In den gehobenen Gasthäusern war er nicht mehr gern gesehen; seine Standesgenossen hatten ihn das etliche Male schmerzlich fühlen lassen.
Obwohl Magdalenas Oheim stur wie ein Maulesel sein konnte, wenn es sich um seine Person und den ihm seiner Meinung nach zustehenden Respekt handelte, hatte er die dauernden Sticheleien und massiven Anfeindungen auf Dauer nicht mehr ertragen.
Das Zuhause allerdings war ihm zunehmend verleidet durch das beständige Geflenne seiner Ehefrau und die Leichenbittermiene der Hausangestellten, die Elises Tod noch keineswegs überwunden hatten. Seit sie fehlte, bemerkten Margret und das Gesinde erst richtig, wie sehr die alte Frau sie vor dem Haustyrannen beschützt hatte.
»Wann kommt Euer Ehemann nach Hause?«, erkundigte sich Magdalena nach der herzlichen Begrüßung durch Muhme Margret. Die verhärmte Frau winkte ab. Innerhalb der Zeit, die verstrichen war, seit die Apothekerin sie zum letzten Mal gesehen hatte, war sie beträchtlich gealtert.
»Das weiß keiner«, murmelte sie und blickte beschämt zu Boden. »Manchmal bleibt er sogar die ganze Nacht über weg. Ich frage nicht danach, wo Mauritz sich herumtreibt –
mir ist es letztlich gleichgültig. Nicht selten prügelt er sich auch mit dubiosen Gestalten und liegt dann tagelang halbtot daheim im Bett und schikaniert alle Hausbewohner.«
»Ihr habt es wahrlich nicht leicht!«
Magdalena nahm die vor Kummer erschreckend abgemagerte Frau spontan in den Arm und strich ihr über den Rücken, dabei ihre hervorstehenden Rippen fühlend.
»Ihr müsst ordentlich essen, Muhme!«, forderte sie die andere energisch auf. »Ihr dürft Euch nicht so ohne weiteres aufgeben! Wer weiß, vielleicht seid Ihr eher Witwe als gedacht? Vor allem, wenn Euer Gemahl sich mit so finsteren Elementen einlässt! Dann könnt Ihr immer noch versuchen, Euch ein eigenes Leben aufzubauen – eines, das Euch gefällt und mehr Euren Wünschen entspricht.«
Margret fuhr leicht zusammen. Wie kalt die junge Frau das aussprach! Ein Blick in Magdalenas Augen zeigte ihr jedoch zweierlei: Verachtung für Mauritz, aber auch unendliches Mitleid mit ihr und ihrer würdelosen Situation.
Sie seufzte schwer. »Mittlerweile ist mir jeglicher Appetit vergangen.«
Ihre Stimme klang nicht einmal kläglich, eher hoffnungslos. Für ihren geschätzten Gast ließ sie jedoch die Leibmagd sogleich allerlei gute Dinge herbeiholen.
»Mauritz wird mich zwar schelten für die Verschwendung, aber ich schere mich nicht darum.«
Margret versuchte, bei diesen Worten so gleichgültig wie möglich zu klingen; aber Magdalena spürte deutlich ihre Angst vor der Strafe,
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